„Als Branche stecken wir im Krisenmodus“
In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Expertinnen und Experten der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe berichtet Matthias Sacher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kreisbaugesellschaft Tübingen, warum er trotz schwieriger Rahmenbedingungen weiterhin daran arbeitet, dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und wie sich die Kreisbau als kommunales Wohnungsunternehmen den Herausforderungen im neuen Jahr stellt.
iwm-aktuell: Herr Sacher, die Rahmenbedingungen im Wohnungsbau sind aktuell sehr schwierig. Wie reagiert die Kreisbau?
Martin Sacher: Es stimmt, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau sind derzeit alles andere als einfach – vor allem wegen steigenden Baukosten, Zinsen und dem Fachkräftemangel. Trotzdem haben wir bei der Kreisbaugesellschaft einen klaren Plan: Wir passen unsere Strategien an, um auch unter diesen neuen Bedingungen weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir wollen nicht nur jammern, sondern arbeiten aktiv an nachhaltigen Lösungen. Im Spannungsfeld zwischen Kosten und Angebot gibt es ein Grundbedürfnis, das wir abdecken müssen, und das ist Wohnen.
Die Kreisbaugesellschaft hat sich auch das Thema Dekarbonisierung auf die Fahne geschrieben. Was sind hier die nächsten Schritte und wie sieht der aktuelle Stand aus?
Wir haben schon einen großen Schritt nach vorne gemacht: fast 80 Prozent unseres Bestands wurde bereits energetisch saniert. Ein Großteil davon stammt aus den Jahren 1949 bis 1977 und wurde mindestens einmal kernsaniert und auf moderne Energieträger umgestellt. Aber wir ruhen uns da nicht aus – wir müssen bis 2040 klimaneutral sein. Der nächste Schritt ist, noch mehr auf nicht-fossile Energien wie Pelletheizungen zu setzen. Auch das Thema Fernwärme wollen wir weiter ausbauen, auch wenn es in vielen unserer Objekte noch keine Anschlüsse gibt. Wir schauen aber nicht nur auf die Technik – auch das Nutzerverhalten spielt eine Rolle. Deshalb setzen wir auf Aufklärung, um unseren Mieterinnen und Mietern zu helfen, ihren Energieverbrauch zu senken. Außerdem haben wir ein Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet und eine Stabstelle für Nachhaltigkeitsmanagement eingerichtet.
Wie wirkt sich die aktuelle wirtschaftliche Lage auf Ihre Neubauprojekte aus?
Das Ziel sollte sein, zwischen 30 und 50 Mietwohnungen im Jahr fertigzustellen. 2023 haben wir deutlich weniger Neubauten fertiggestellt als geplant, und 2024 waren es noch weniger. Das liegt vor allem an den gestiegenen Baukosten und den höheren Zinsen. Neubauprojekte haben immer eine gewisse Vorlaufzeit und in der aktuellen Situation dauert es noch länger, bis wir die Projekte realisieren können. Aber wir geben nicht auf.
Unter den aktuellen Bau-Bedingungen müsste man für einen Neubau mit Nettokaltmieten zwischen 16 und 18 Euro kalkulieren, beim Neubau von Eigentumswohnungen mit 6000 Euro pro Quadratmeter. Als Branche stecken wir im Krisenmodus. Bundesweit ist die Bautätigkeit von 2022 auf 2023 um 26 Prozent zurückgegangen. Trotzdem nehmen wir als kommunales Unternehmen unseren Auftrag sehr ernst, Wohnraum für die Menschen im Raum Tübingen zu schaffen. Für 2025 setzen wir deshalb auf unseren seriellen Bautypus. Momentan stecken wir mitten in der Planungsphase und kümmern uns parallel um die baurechtlichen Voraussetzungen.
Die Mietpreise sind ein drängendes Thema. Wie stellt die Kreisbaugesellschaft sicher, dass sie auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum anbieten kann?
Unter anderem durch das serielle Bauen. Das heißt, ein Design soll von Kirchentellinsfurt bis Bodelshausen funktionieren und universell auf unterschiedliche Grundstücke anwendbar sein – durch standardisierte Grundrisse, einheitliche Bauelemente und der Verzicht auf teure Keller oder Tiefgaragen. So können wir bei den Planungs-und insbesondere den Baukosten erheblich sparen – statt 4.000 Euro pro Quadratmeter rund 2.900 Euro. Mieten in der Größenordnung von 10 Euro pro Quadratmeter werden dann bei öffentlicher Förderung realistisch. Ziel der Kreisbau ist es, 2026 mit dem Bau eines Pilotprojekts zu beginnen.
Bildquelle: Kreisbaugesellschaft Tübingen mbH
Schlagwörter: Immobilienwirtschaft, Wohnungswirtschaft, Zukunft