Angespannter Wohnungsmarkt in Hessen – Wohnraumförderung als Lösungsansatz?
Die hessischen Wohnungsmärkte stehen vor vielfältigen und weiter wachsenden Herausforderungen. Der Druck in den Ballungszentren steigt, während neues Bauland knapp und teuer ist. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein Thema, das die wohnungspolitische Debatte derzeit bestimmt und voraussichtlich auch in den kommenden Jahren prägen wird. Beim 8. Parlamentarischen Abend der AWI Hessen stand deshalb diesmal das Instrument der Wohnraumförderung im Mittelpunkt der Debatte.
Die momentanen Förderbedingungen in Hessen werden im kommenden Jahr reformiert – und alle Stellschrauben müssen dringend neu justiert werden, wenn die hessische Wohnraumförderung effektiv wirken soll. Zu diesem Ergebnis kommen die vier in der AWI Hessen zusammengeschlossenen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungs- und Immobilienverbände Hessen nach einer gründlichen Analyse der bisherigen Förderpraxis durch Hessens Staatsministerin Priska Hinz.
Vor allem müssten die Darlehen für die einzelnen Projekte steigen. Die AWI fordert, die Darlehenshöhe der Wohnraumförderung von 1.600 Euro je Quadratmeter Fläche auf bis zu 2.000 Euro zu erhöhen. Auch müssten die Zinsen von 0,6 auf null Prozent gesenkt werden. Angesichts der niedrigen Zinsen auf dem freien Markt seien die Zinskonditionen des Landes nicht attraktiv genug. Ferner müsse es Tilgungszuschüsse geben, die festgelegten Fördermieten den Marktbedingungen angepasst und das Fördervolumen verdoppelt werden.
Nötig seien darüber hinaus eine Baulandoffensive und eine Offensive zur Senkung der Kosten durch teure staatliche Auflagen und Vorschriften beim Bau. „Wir haben doch alle das gleiche Ziel: Wir wollen schnell neuen Wohnraum. Unter den jetzigen Bedingungen ist die soziale Wohnraumförderung jedoch in den meisten Fällen für Investoren unwirtschaftlich und nicht attraktiv genug“, erklärte der Vorsitzende der AWI Hessen und Geschäftsführer des BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, Gerald Lipka. Er forderte die Landesregierung auf, auch private Wohnungseigentümer, die ihre Wohnungen vermieten, in die Förderung einzubeziehen. In Rheinland Pfalz und Baden-Württemberg sei dies so geregelt und trage erheblich zur Entlastung bei. Die Antragstellung müsse ebenfalls vereinfacht werden. Vor allem kleinere Unternehmen seien mit den komplizierten Prozessen häufig überfordert.
Lipka wies ferner darauf hin, dass sowohl der Preisanstieg gebremst als auch mehr Grundstücke bereitgestellt werden müssten. „Die Innenentwicklung auf Restgrundstücken reicht nicht mehr aus.“ Lipka bot Staatsministerin Priska Hinz die Unterstützung bei der Verbesserung der Förderprogramme an.
Die für den Wohnungsbau in Hessen zuständige Ministerin gab in ihrem Impulsvortrag der Förderpolitik in Hessen erwartungsgemäß erst einmal gute Noten. Mit 1,2 Milliarden Euro bis 2019 stehe deutlich mehr Geld zur Verfügung als in der Vergangenheit. Inzwischen seien auch die Zuschüsse erhöht und die Förderrichtlinien einfacher geworden. Mit der Nassauischen Heimstätte werde eine Baulandoffensive gestartet und die Höhe der Förderung werde auch auf den Prüfstand gestellt, so die Ministerin. „Wir haben schon vieles geschafft, aber noch große Herausforderungen vor uns“, schloss die Ministerin.
In der anschließenden Diskussion mit den wohnungspolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen standen weitere Detailfragen der Wohnraumförderung im Mittelpunkt. So unterstützten Ulrich Caspar (CDU) und Martina Feldmayer (Bündnis 90/Die Grünen) als Vertreter der Regierungsfraktionen wie erwartet die Politik der Ministerin. Caspar sprach sich für zusätzliche marktwirtschaftliche Anreize beim Wohnungsbau aus. Diese Position vertrat auch Jürgen Lenders von der FDP. Hermann Schaus von der Linken hingegen forderte mehr Geld für den geförderten Wohnungsbau.
Bei der Förderung dürfe man nicht nur an die Ballungsräume denken, so Werner Merkel, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter in Hessen. Auch ländliche Regionen müssten berücksichtigt werden, um die Bevölkerung dort zu halten. „Wenn dies nicht geschieht, wird der Druck auf die Ballungsräume noch stärker zunehmen“, prophezeite Merkel. Er forderte neben einer verbesserten Förderung auch die Senkung der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer, da letztere gerade hier in Hessen in den letzten Jahren um über 25 Prozent gestiegen sei. Ebenso wäre eine Verbesserung der linearen Abschreibung eine Art von Förderung, die ihre Wirkung letztlich nicht verfehle, wenn diese ernsthaft als Anreiz gesetzt würde.
Thorsten Stock, Stellvertretender Vorsitzender des IVD Mitte, wies auf den dramatischen Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen in Hessen hin. In den vergangenen 25 Jahren habe deren Anzahl sich mehr als halbiert. 1991 habe es in Hessen noch knapp 206.000 Sozialwohnungen gegeben, 2015 nur noch 100.660. Die schwarz-grüne Landesregierung habe das Ziel, bis 2019 12.000 neue Wohnungen zu fördern. Die unterschiedlichen Dimensionen machten deutlich, dass der Rückgang nicht annähernd aufgefangen werde.
Mehr als bedenklich sei außerdem, so die AWI-Sprecher, dass es 2016 beim Förderprogramm „Mietwohnungsbau für mittlere Einkommen“ hessenweit keine einzige Anmeldung gegeben habe. Auch beim Förderprogramm „Modernisierung von Mietwohnungen“ sei das Anmeldevolumen stark rückläufig. Von 15 Millionen 2013 über 13 Millionen 2014 sei die Nachfrage 2015 auf zwei Millionen Euro gesunken.
„Wenn bei einem Auto die Ventile falsch eingestellt sind, dann braucht das Auto zu viel Sprit und bringt nicht die volle Leistung“, fasste der Verbandsdirektor des VdW südwest, Dr. Axel Tausendpfund, die Lage zusammen. Tausendpfund erneuerte seine Forderung nach einem Masterplan „Wohnen für alle“. Dazu müssten sich die verschiedenen Bündnisse für Wohnen auf Landes- und Bundesebene auf konkrete Zahlen beim Wohnungsneubau festlegen. „Wenn jeder seien Beitrag dazu leistet, können wir diese große Aufgabe gemeinsam stemmen“, so Tausendpfund.
Fotonachweis: BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland