Im Fokus: BFW-Landesgeschäftsführer Gerald Lipka

“Wir brauchen eine Zeitenwende auf dem Immobilienmarkt”

Seit zehn Jahren ist Gerald Lipka, Fachanwalt für Immobilienrecht, Geschäftsführer der BFW-Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Als Sprachrohr der privaten Bauwirtschaft im Südwesten der Republik ist Lipka bestens mit der Marktlage und den Herausforderungen für den Immobilienmarkt vertraut. Zur derzeitigen Situation der Branche und der Dringlichkeit richtiger politischer Entscheidungen bezieht der Landesgeschäftsführer im folgenden Beitrag klar Stellung.

IWM-Aktuell: Herr Lipka, die derzeitige Marktlage ist für viele Bauträger herausfordernd – vielfach sogar existenzbedrohend. Gleichzeitig ist der Bedarf nach Wohnraum vielerorts ungebrochen hoch. Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Lipka: Um den Immobiliensektor im gesamten Bundesgebiet steht es leider nicht gut. Die derzeitige – für die Branche geradezu toxische – Gemengelage aus drastisch gestiegenen Material-, Lohn- und Produktionskosten auf der einen und rapide gestiegenen Finanzierungszinsen auf der anderen Seite hat in den vergangenen eineinhalb Jahren zu einem regelrechten Einbruch auf dem bundesweiten Immobilienmarkt geführt. 400.000 neue Wohnungen wollte das neu geschaffene Bauministerium unter Ministerin Klara Geywitz jährlich schaffen. Für das erste volle Jahr in Verantwortung der Ampel-Regierung waren es rund 300.000. Im zurückliegenden Jahr entwickelten sich die Zahlen weiterhin rückläufig. Die „optimistischsten“ Prognosen liegen bei maximal 250.000 fertiggestellten Wohnungen. Damit liegt das Delta zwischen Theorie und Praxis allein in den Jahren 2022 und 2023 bei insgesamt wohl mehr als 250.000 zu wenig geschaffenen Wohnungen. Für die weiteren Preisentwicklungen – insbesondere in stark nachgefragten Ballungszentren – verheißt das trotz einer rückläufigen Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten nichts Gutes. Die damit verbundene soziale Sprengkraft ist enorm.

IWM-Aktuell: Welche politischen Weichenstellungen sind aus Ihrer Sicht nötig, um einen Kapazitäten-Abbau im Baugewerbe zu verhindern – schließlich wird Wohnraum ja, wie eben beschrieben, nach wie vor dringend gebraucht?

Lipka: Im vergangenen Jahr war häufig vom Begriff einer „Zeitenwende“ die Rede – natürlich in einem anderen Zusammenhang. Dennoch ist genau dies in der Immobilienbranche nötig, um dem Einbruch auf dem freien Markt endlich wirksam entgegenzutreten – hierfür bedarf es wirkungsvoller Impulse für alle Marktteilnehmer. Erste Maßnahmen, wie die Degressive AfA, die beim Wohnbaugipfel der Bundesregierung bereits Ende September letzten Jahres angekündigt wurden, befürworte ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich. Allerdings sind sie bis heute noch nicht umgesetzt. Das Wachstumschancengesetz, in dem die Degressive AfA verankert ist, befindet sich noch immer im Vermittlungsausschuss. Selbst die genaue Ausgestaltung des Gesetzes ist noch ungewiss. Für unsere Unternehmen war die Ankündigung dieser Degressiven Sonder-AfA ohne zeitnahe Umsetzung ein weiteres Hemmnis. Potenzielle Kaufinteressenten warten seither ab, konkrete Kaufverträge sind weiterhin Mangelware. So produziert die Politik weiteren Stillstand, anstatt der derzeitigen Entwicklung entgegenzuwirken.

IWM-Aktuell: Welche konkreten Lösungen benötigt die Branche, um wieder Fahrt aufzunehmen?

Lipka: Die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- sowie auf und Landesebene müssen sich darüber klarwerden, dass es viele unterschiedliche Akteure im Neubaubereich gibt. Unterschiedliche Akteure reagieren natürlich auch auf verschiede Maßnahmen. Die nun angekündigte Sonder-Afa erreicht beispielsweise Investoren, die vermieten. Dies ist aber nur eine Facette einer sehr diversen Branche. So wurden bundesweit in den Jahren 2021 und 2022 rund 60 Prozent aller Investitionen in den Wohnungsneubau von privaten Haushalten getätigt – die damit verbundenen Investitionen in Millionenhöhe können keinesfalls durch Förderungen oder staatliche Subventionen ersetzt werden. Um auch in diesem Bereich Impulse zu setzen, sind meines Erachtens dringend weitere Maßnahmen nötig: So könnte beispielsweise eine Absenkung der Grunderwerbsteuer für private Ersterwerber die Attraktivität des privaten Eigenheims wieder stärken. Wichtig für alle Marktteilnehmer ist zudem eine verlässliche Förderlandschaft! Gerade in einer Branche mit langen Fertigungszyklen müssen sich Unternehmer darauf verlassen können, dass sich die gesetzlichen Rahmen- und Förderbedingungen nicht im Laufe der Projektrealisierung um 180 Grad ändern. Kurzfristige „Schnellschüsse“ gefährden auch und gerade in unserer Branche Existenzen. Wir benötigen ein entschlossenes Vorgehen mit Blick für die Wirklichkeit! Gleichzeitig muss aber auch die deutlich reduzierte Nachfrage wieder angekurbelt werden. Und dies betrifft aus unserer Sicht den Bund gleichermaßen wie Land, Städte und Gemeinden. Sicherlich gibt es nicht die eine Lösung, um den Wohnungsmarkt wieder in Fahrt zu bringen. Es geht um einen durchdachten Mix konkreter Instrumente, um positive Impulse für den Markt zu setzen.

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