Stuttgart ist Hotspot einer pulsierenden Region
Mit einer Rekordteilnehmerzahl von 500 fand am 2. und 3. Juli 2018 der 11. Stuttgarter Immobilien-Dialog im Rathaus am Marktplatz statt. Unter dem Motto „Think big, Think schwäbisch“ referierten und diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus der Immobilienbranche über sozial geförderten Wohnbau, hohe Mieten und Bauflächenknappheit in der Stadt und Region.
Stuttgart gilt als Vordenker und innovativer Gestalter und ist einer der stärksten Wirtschaftsräume weltweit: steigende Einwohnerzahlen, starke Industrie. „Es steht gut um den Wirtschaftsstandort, doch es könnte noch besser sein“, findet Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Die Metropole leide vor allem unter den kaum bezahlbaren Mieten, die nicht einmal mehr für Normalverdiener erschwinglich seien. Aus diesem Grund gebe es laut dem OB Überlegungen, im Rahmen des Stuttgarter Innenentwicklungsmodell, die Quote der geförderten Wohnungen von 20 Prozent auf 30 Prozent anzuheben. „Aktuell entstehen 2.000 Wohnungen pro Jahr in Stuttgart, unserem Ziel, dass 600 davon sozial geförderte Wohnungen sein sollen, sind wir sehr nahe“, so der OB, der die Steigerung geförderter Wohnungen als wichtiges sozialpolitisches Ziel sieht. Doch auch in der Region steigen die Mieten, weiß Günter Siebers, Leiter des Stuttgarter Stadtmessungsamts und Vorsitzender des Gutachterausschusses: „Zwei Drittel aller Gutachterausschüsse in der Region gehen von steigenden oder gar stark steigenden Preisen bei Wohnimmobilien aus“, so Siebers.
Doch nicht nur die Mietpreise sind ein Problem, auch der Mangel an Wohnraum: „Wir müssen endlich mehr Wohnungen produzieren, um den Druck vom Markt zu nehmen“, fordert Frank Berlepp, Geschäftsführer LBBW Immobilien Management. Um bauen zu können, benötigt es jedoch Bauland. Aktuell herrscht allerdings Flächenknappheit in der Region. Dass weiß auch Thomas Bopp, Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart: „Es wäre nicht wünschenswert, wenn Unternehmen wegen Flächenknappheit wegziehen“, so Bopp. Doch es fehle nicht nur an Gewerbeflächen, die die Gemeinden nicht ausweisen wollen, sondern auch an Wohnbaufläche. OB Kuhn möchte jedoch verhindern, dass Wohngebiete ungeplant gebaut werden. Stuttgart solle seine Schönheit und Grünfläche sowie seine Landwirtschaft bewahren, daher werde nicht jeder Acker bebaut. Innovative und zeitgemäße Konzepte zur Nachverdichtung von Wohnraum seien gewünscht. Kürzlich konnte die Stadt die Fläche von Aurelis am S-Bahnhof von Stuttgart-Vaihingen erwerben. Geplant ist, dort nun Wohnungen, auch für Studenten, entstehen zu lassen. In der Mitte soll es eine Grünfläche geben. Erfreuliche Nachrichten gab es bezüglich der Bürofläche in Stuttgart, die seit 2003 um 880.000 Quadratmeter gewachsen ist, wie Ulrich Nestel, Leiter Bürovermietung bei E&G Real Estate, verkündete. „Der Engpass an Büroflächen wird noch etwa zwei bis drei Jahre bestehen bleiben und sich dann aufgrund höherer Fertigstellungszahlen entspannen“, so Nestel über die Zukunft.
Und auch um die Baugenehmigungen steht es gut, berichtet Baubürgermeister Peter Pätzold. Stuttgart habe im vergangenen Jahr 26 Wettbewerbe durchgeführt und 2.725 Baugenehmigungen erteilt, 129 Bebauungsplanungsverfahren würden aktuell bearbeitet. Mathias Both, Partner beim Architekturbüro Blocher Partners, erlebe jedoch, dass selbst kleine Abweichungen vom Baurecht den Start des Bauvorhabens verzögern. Als Lösungsvorschlag für dieses Problem nannte Angela Weiskopf, Leiterin städtebauliche Planung Neckar beim Stadtplanungsamt, die Gründung einer städtischen Projektentwicklungsgesellschaft.
Mit neuen Konzepten könne die Stadt zudem vom Trend zum Erlebniseinkauf profitieren. „Stuttgart verfügt über die größte Textilfläche Deutschlands“, weiß Sven Köhler, Handelsprofessor an der DHBW Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Es wäre eine große Chance, wenn sich Vermieter beispielsweise mit mehr Showrooms anfreunden würden. Und auch Andreas Hofer, IBA-Intendant, sagt: „Wir brauchen Experimente!“Internationale Bauausstellungen seien ein innovatives Instrument zur Städte- und Regionalentwicklung, da sie sich außerhalb der täglichen planerischen Vernunft bewegen und somit Möglichkeiten für die Zukunft auftun.
Kuhn appellierte zudem an die Automobilindustrie, auf nachhaltige und bezahlbare Mobilität zu setzen und auf innovative Technologien umzusteigen. Dieser Umstieg ermögliche Chancen und Arbeitsplätze. Die geplante Tarifreform des VVS für 2019 geht dabei mit gutem Beispiel voran. „Ich bin mir sicher, dass Stuttgart den Herausforderungen in der Gestaltung von Stadtstruktur und Baukultur gewachsen ist und diese in Zukunft bewältigen wird“, so der OB.
Gerald Lipka, Geschäftsführer des BFW Landesverband Baden-Württemberg, steht den Plänen von OB Kuhn mit Skepsis gegenüber: „Das Problem des Wohnraummangels wird hier nur einseitig angegangen. Es reicht nicht aus, lediglich den Bau weiterer sozial geförderter Wohnungen anzustreben.“ Lipka fordert gezielte Unterstützung auch für freie Bauträger. „Die im BFW Baden-Württemberg organisierten Unternehmen haben mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent eine besondere Bedeutung. Aufgrund ihrer Kapazitäten steuern sie einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von neuem Wohnraum bei“, so Lipka. Denn mehr als die Hälfte der neu geschaffenen Eigentumswohnungen werden von privaten Investoren als Mietwohnungen zur Verfügung gestellt. Diese sind mit einem Marktanteil von 66 Prozent der größte Anbieter auf dem Mietwohnungsmarkt (vgl. bbsr online 2/2015). „Es sollte gleichberechtigte Fördermaßnahmen für alle, die am Wohnungsbau beteiligt sind, geben“, schlussfolgert Likpa.
Bildnachweis: BFW Baden-Württemberg
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