Auf der Suche nach neuen Mustern im Städtebau
Es zeichnet sich langsam ein Ende der „Renaissance der Stadt“ ab. Die Wiederentdeckung der Innenstädte ist abgeschlossen, die meisten Grundstücke sind mehr oder weniger bebaut und die bauliche Verdichtung verlangsamt sich. Als Konsequenz werden sich Stadtplaner, Architekten und Vermarkter in den nächsten Jahren mit den gut erschlossenen Gebieten im suburbanen Raum und seiner speziellen Ästhetik auseinander setzen müssen. Denn hier an den Rändern der wachsenden Europäischen Metropolen wird der nächste relevante Transformationsprozess stattfinden. Ein Beispiel hierfür bietet eine Projektentwicklung in München-Feldmoching, bei der das Architekten-Team von 03 Architekten, München gemeinsam mit Verde Landschaftsarchitektur, Freising bei einem international eingeladenen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb einstimmig mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde.
Es ist eine große Herausforderung, im suburbanen Raum zwischen austauschbaren Fragmenten von Großsiedlungen, Einfamilienhaus- und Gewerbegebieten, Autobahnen und Gleisen, wieder urbane Stadtviertel zu schaffen, die mit ihrer räumlichen Dichte und architektonischen Vielfalt an die Qualitäten von Gründerzeitvierteln oder gewachsenen Altstädten anknüpfen. Um dieser Herausforderung adäquat zu begegnen, werden die beteiligten Akteure neue Bebauungsmuster suchen müssen.
Das Wettbewerbsgrundstück an der Ratoldstraße in München-Feldmoching befindet sich an einem sehr wichtigen Knotenpunkt der U-Bahn mit der S-Bahn in Richtung Münchner Flughafen. Hier stellt sich genau diese Herausforderung: Zwischen Gleisen, einem Einfamilienhausgebiet und einem Siedlungsbau der 1970er-Jahre soll in Zukunft das städtische Zentrum für den Stadtteil Feldmoching entstehen. Bei den Überlegungen für ein geeignetes Bebauungsmuster wurde nach einer offenen Form gesucht. Einer Form, die an die unterschiedlichen Anforderungen, vom Schallschutz bis hin zu den verschiedenen Maßstäben der Nachbarbebauung angepasst werden kann. Eine Form, die den verschiedenen Lebensstilen der pluralistischen Gesellschaft Raum zur Entfaltung gibt. „Eine Form die vielschichtig, vielteilig, unrein, unscharf, anti-klassisch, anti-typologisch, informell, nicht kausal, fragmentiert, semantisch schwach determiniert respektive mehrdeutig sein kann. Diese Eigenschaften machen die Offene Form unbestimmt und infinit. Wie die Naturform, aufgrund von Wachstum und Verfall geprägt durch steten Wandel, zeichnet sie sich durch einen ‚instabilen‘ Zustand aus. Sie thematisiert die Zeit und damit die Bewegung.“ (Zitiert aus: „Die offene Form und das Malerische“ Edelaar, Mosayebi, Inderbitzin, in Trans19, „Modell und Bild“, Sept 2011, ETH Zürich)
Für den Siegerentwurf wird die durchgehende Wegebeziehung an den Gleisen zum Rückgrat, zum roten Faden an dem sich die polygonalen Baufelder aufreihen. Zusammen mit den vieleckigen Baukörpern entsteht ein Konglomerat, ein Gefüge, das ein Netz aus sich diagonal verbindenden Stadträumen eröffnet. Stadträume, die sich verengen und aufweiten und somit ein vielfältiges Beziehungsgeflecht untereinander wie auch mit der Umgebung generieren, Nachbarschaften schaffen und gleichzeitig den Schallschutz garantieren. Die dynamischen Räume der städtebaulichen Figur können von der Architektur genutzt werden, um den Weg von der Nachbarbebauung über kleine Vorplätze in das neue Quartier, weiter in die Höfe bis hin zu den Treppenhäusern zu thematisieren. Die offene Form des Entwurfs wird getragen von dem gedanklichen Modell einer Gesteinsformation. Diese ist von der städtebaulichen Figur bis hin zum Grundriss präsent und sorgt für eine Kohärenz zwischen Städtebau und architektonischem Ausdruck. Die Assoziation ermöglicht es, eine weiche Ordnung herzustellen und dabei den Entwurf so anzureichern, dass ein narrativer und prägnanter Ausdruck entsteht, dessen Bebauungsstruktur unterschiedlichste Gebäudetypologien zulässt. Es entfaltet sich eine Collage, die durch räumliche wie auch typologische Vielfalt ein hohes pittoreskes Potential für die Architektur bietet.
Der Entwurf ermöglicht durch seine unterschiedliche Körnung in der Bebauungsstruktur eine flexible und innovative Vermarktung. Hier müssen neue Formen der Immobilienvermarktung den Städtebau ergänzen, um Baugruppen- und einzelnen Initiativen Raum zu geben, neue Wohnformen zu generieren, damit am Ende ein belebtes urbanes Viertel als neues Zentrum von Feldmoching entsteht.
Fotonachweis: 03 Architekten