„Energie zu sparen ist das Ziel“

In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Expertinnen und Experten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht Martin Kaßler, Geschäftsführer beim Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V.  (VDIV), über energetische Sanierungen in WEG und die damit einhergehenden Herausforderungen und welche Unterstützung das Projekt “GREEN-Home” bietet. 

iwm-aktuell: Lieber Herr Kaßler, welche sind aktuell die größten Herausforderungen für WEG-Verwaltungen? Wie hilft der VDIV den Hausverwaltungen und Eigentümergemeinschaften diese Herausforderungen zu meistern?

Martin Kaßler: Neben dem Umgang mit dem Fachkräftemangel ist sicher die Umsetzung von Klimaschutzvorgaben und Sanierungspflichten eine der großen Herausforderungen. Damit deren Ziele erreicht werden, braucht es einerseits ein stabiles, sinnvolles und zuverlässiges staatliches Fördersystem. Andererseits müssen wir Immobilienverwaltungen aber auch über die Relevanz des Themas aufklären, sie zum Aktivsein bewegen und vor allem Lösungsansätze dafür aufzeigen, wie die Ziele erreicht werden können. Dabei wird uns zukünftig auch die Digitalisierung in den Unternehmen und im Wohngebäude unterstützen.

Um Energieeffizienz in Wohngebäuden von WEG zu fördern, wurde das GREEN Home-Projekt ins Leben gerufen. Was genau ist GREEN Home und wie ist der VDIV Deutschland daran beteiligt?

GREEN Home ist ein Kooperationsprojekt zur Förderung smarter energieeffizienter Gebäude im Gemeinschaftseigentum. Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV Deutschland) als Projekt-Lead, die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF), die Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa e. V. (IWO) und Funding for Future B. V. (F3) starten mit dem GREEN Home-Projekt ihre Zusammenarbeit. Das europäische Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 lässt sich nur über eine Reduzierung des Energieverbrauchs und eine Steigerung der Energieeffizienz in Wohngebäuden erreichen. Von den 42 Millionen Wohnungen in Deutschland befinden sich rund 23 Prozent aller Wohnungen in Wohnungseigentümergemeinschaften. Die Sanierungsquote der Mehrfamilienhäuser, die sich im Eigentum von Gemeinschaften befinden, liegt jedoch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Insbesondere Gebäude, die zwischen 1949 und 1990 gebaut wurden, haben die größten Energieeffizienzpotenziale und summieren sich auf einen Anteil von rund 56 Prozent aller deutschen Mehrfamilienhäuser. Dies entspricht 1.008.000 Bestandsgebäuden mit hohem Sanierungspotenzial. Dieses Potenzial wollen wir gemeinsam erschließen. Dazu wurden über nun fast drei Jahre hinweg in diversen Formaten die Bedarfe der Eigentümer sowie der Immobilienverwaltungen geklärt und gemeinsam mit Energiedienstleistern, Finanzieren und Anbietern von One-Stop-Shops nach praktikablen Lösungsansätzen gesucht.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei der energetischen Sanierung von WEG im Vergleich zum privaten Sektor?

In WEG gibt es einige Besonderheiten, die sie von Immobilien unterscheiden, in denen ein Eigentümer allein die Maßnahmen am Gebäude beschließen, finanzieren und umsetzen kann. Zu den Herausforderungen zählen zum einen die Beschlüsse. Sie werden für praktisch jede Maßnahme gebraucht und sie herbeizuführen, bedarf i. d. R. langwieriger und intensiver Vorbereitung. Oft können sie nicht in einer Eigentümerversammlung (ETV) und damit in einem Jahr umgesetzt werden. Das macht die Entscheidung über die Maßnahme, die durchgeführt werden soll, ohne Sanierungsfahrplan, besonders schwierig. Dem Beschluss voraus gehen diverse Schritte wie das Einholen von Handwerker-Angeboten und Infos über Finanzierungs- sowie Fördermöglichkeiten, setzen auf die TO der nächsten ETV, Erklären und beschließen lassen. Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. In praktisch allen WEG sind die Instandhaltungsrücklagen zu niedrig. Über 96 Prozent der Immobilienverwaltungen sehen WEG nicht in der Lage, umfassende energetische Sanierungen vorzunehmen. 87 Prozent der Verwaltungen schätzen zudem, dass die Erhaltungsrücklagen nicht ausreichen, um ältere Heizungen auszutauschen. Weit über 90 Prozent der Verwaltungen gehen weiter davon aus, dass Eigentümer nicht in der Lage sein werden, deutlich höhere Rücklagen zu leisten oder sogenannte Sonderumlagen zahlen zu können – so die Ergebnisse der VDIV-Blitzumfrage vom März 2023. Darüber hinaus gibt es oft Schwierigkeiten bei Kreditaufnahme, sollten einzelne Eigentümer nicht kreditwürdig sein. Nicht zuletzt gilt auch die Durchführung als Herausforderung. Fehlendes Know-How und nicht vorhandenes Personal sind außerdem limitierende Faktoren. 85 Prozent der befragten Unternehmen gaben zudem an, über zu wenig Personal zu verfügen, um energetische Sanierungsmaßnahmen begleiten und umsetzen zu können. Über 58 Prozent gehen davon aus, dass ihr Unternehmen dafür nicht ausreichend qualifiziert ist, und begründen dies mit dem entsprechend fehlendem Fachpersonal – so die Ergebnisse der VDIV-Blitzumfrage vom März 2023.

Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach priorisiert werden, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen?

Es braucht Planbarkeit für WEG. Das bedeutet passende Förderprogramme mit ausreichend Mitteln, um WEG den Anreiz zu geben, sich auf den beschriebenen beschwerlichen Weg zu begeben. Ohne Sicherheit werden Verwaltungen sowie Gemeinschaften weiterhin passiv bleiben und auf bessere Bedingungen warten.

Wie können WEG konkret zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen?

Grundsätzlich ist Energie sparen das Ziel. Das kann über Dämmmaßnahmen, neue Fenster oder eine effizientere Heizung erfolgen. Die einzelnen Maßnahmen sollten dafür aber aufeinander abgestimmt und von einem Experten geplant werden.

Welche Rolle spielt die staatliche Förderung bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen im Immobiliensektor?

Die Förderung spielt eine sehr große Rolle. Mit ihr steht und fällt die Sanierung im Bestand – denn ohne Förderung können die meisten die Maßnahmen nicht finanzieren. Hier ist es essenziell Planbarkeit und Verlässlichkeit zu schaffen.

Was sind die langfristigen Visionen des VDIV in Bezug auf nachhaltiges und energieeffizientes Wohnen?

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz müssen und werden nach und nach Einzug in WEG halten – letztendlich geht es für Eigentümer damit um den Erhalt ihres Lebensraums und ihrer Altersvorsorge.

Gibt es etwas, das Sie den Eigentümern und Verwaltern von Mehrfamilienhäusern mit auf den Weg geben möchten, um sie für den Klimaschutz zu motivieren?

Es ist wichtig, sich zu informieren und aktiv die Herausforderung anzugehen, statt nichts zu tun. Es gibt schon jetzt Lösungsansätze. Letztlich sollte man die Umsetzung frühzeitig angehen. Denn Klimaschutz geht uns alle an.

Bildquelle: VDIV Deutschland