Sinkflug beim Wohnungsneubau nimmt bedrohliche Ausmaße an

Der Einbruch der Zahl an Baugenehmigungen im vergangenen und laufenden Jahr bestätigt, dass der Abwärtstrend im Neubau bei weiterhin hohen Baupreisen immer bedrohlicher wird. Bereits im Jahr 2022 warnte der BFW Baden-Württemberg mit seinem Konjunkturbericht vor dieser Entwicklung. Gerald Lipka, Geschäftsführer des BFW Landesverbandes Baden-Württemberg betont: „Die konjunkturellen Rahmenbedingungen stellen unsere Unternehmen vor große Herausforderungen.“

Im Wohnungsbau in Baden-Württemberg zeigen die neuesten Daten einen besorgniserregenden Rückgang bei den Baugenehmigungen. Laut Konjunkturbericht wurden im Januar und Februar 2024 nur 3.290 Wohnungen genehmigt. Das bedeutet einen dramatischen Einbruch um 43,8 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres, als noch 5.857 Genehmigungen erteilt wurden. Damit wurden die Prognosen des Vorjahres traurigerweise bestätigt.  Gerald Lipka kritisiert, dass trotz absehbarer Entwicklungen keine angemessenen Maßnahmen ergriffen worden seien, um diese negative Tendenz zu stoppen. „Die Zeit drängt. Die Politik muss sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen.“ so Lipka.

Erhebliche Rückgänge auch 2023

Dr. Rebitzer, Verfasser des Konjunkturberichtes, betont, dass der Einbruch bei den Baugenehmigungen in Baden-Württemberg noch höher ausfällt als im Bund, was umso dramatischer sei, wenn man bedenke, wie hoch der Wohnungsmarkt im Land ist. Im Jahr 2023 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 35.519 Wohnungen genehmigt, was einem Rückgang von 29,1 Prozent (50.083) im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Besonders betroffen sind Ein- und Zweifamilienhäuser, deren Genehmigungen um 41 bzw. 54 Prozent zurückgegangen sind. Laut Rebitzer werden nur „halb so viele Wohnungen genehmigt, wie eigentlich benötigt werden.“ Auch die Fertigstellungen von Wohnungen sanken im Jahr 2022 um 3,5 Prozent auf 39.935 Einheiten. BFW-Geschäftsführer Lipka warnt davor, dass die Zahlen für Wohnungssuchende und Wirtschaftsstandorte eine drohende Verschlechterung der Situation bedeuten. Der Bauüberhang, also die Zahl der genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen, wuchs bis Ende 2022 auf 121.919 an, eine Zunahme von sieben Prozent im Vergleich zu 2021.

Notwendige Maßnahmen und Investitionen

Lipka fordert dringende politische Maßnahmen zur Belebung des Wohnungsmarktes. Dazu zählen aus Sicht des BFW eine degressive Abschreibung für Investoren, eine Senkung der Grunderwerbsteuer und die Förderung von Baulandentwicklung sowie Deregulierung. Lipka betont, dass besonders private Bauherren unterstützt werden müssten, da deren Investitionen 2023 um 33,8 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro zurückgingen. Ohne Unterstützung dieser Gruppe würde der Druck auf den Mietmarkt weiter steigen. „Die Stadt alleine wird es nicht leisten können. Der Wohnungsbau braucht auch private Bauherren“, bekräftigt Lipka.

Rückläufige Immobilienumsätze und wirtschaftliche Unsicherheit

Der Konjunkturbericht macht deutlich, dass die Immobilienmärkte in Baden-Württemberg seit 2022 einen dramatischen Rückgang erleben. Die Umsätze im Immobiliengeschäft fielen 2023 um 29,7 Prozent auf 33,2 Milliarden Euro. Ursächlich dafür sind unter anderem stark gestiegene Zinsen, höhere Baukosten und eine allgemeine Unsicherheit aufgrund von Energiewende, Inflation und geopolitischen Spannungen wie dem Ukrainekrieg, der Lage im Nahen Osten, und den Wahlen in den USA. Dies hat dazu geführt, dass neue Wohnbauprojekte kaum noch gestartet werden und viele Bauunternehmen bereits Kurzarbeit einführen mussten. Lipka warnt davor, dass ohne rasche Maßnahmen eine Entlassungswelle drohe und bei einem Wiederanspringen der Baukonjunktur nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen würden, um den Wohnungsbedarf zu decken.

Preisanstieg und Wohnungsmangel

Die Baupreise für neue Wohngebäude sind 2023 um 7,4 Prozent gestiegen. Dieser Trend hat sich im ersten Quartal 2024 weiter verstärkt. Auch die Mietpreise dürften aufgrund des anhaltenden Mangels an neuen Wohnungen und der wachsenden Nachfrage weiter steigen. Professor Dr. Dieter Rebitzer prognostiziert, dass der Wohnungsmangel in stark nachgefragten Regionen in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Gründe dafür seien neben der unzureichenden Bautätigkeit auch die Verschiebung vom Kauf- zum Mietmarkt und eine anhaltende Zuwanderung. Ohne ein entschlossenes Eingreifen der Politik drohe ein Wohnungsnotstand in Ballungsräumen, so Lipka:. „Im Handwerk und im Baugewerbe gibt es bereits Kurzarbeit. Es darf nicht zu einer Entlassungswelle kommen. Wenn nicht alles getan wird, um den weiteren Sinkflug des Wohnungsbaus aufzuhalten, dann haben wir nach einem Wiederanspringen der Baukonjunktur keine ausreichenden Kapazitäten mehr, um Wohnungen zu bauen.“

Wohnungsbau in Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ebenfalls in Abwärtsspirale

Der Konjunkturbericht des BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland spiegelt die Krise im Wohnungsneubau ebenfalls wider. In allen drei Bundesländern sind die Baugenehmigungen und Investitionen im Wohnungsbau dramatisch zurückgegangen. Besonders betroffen ist Hessen, wo die Genehmigungen im Januar 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fast 57 Prozent einbrachen. Die Baukosten steigen weiter, während private Bauherren ihre Investitionen deutlich reduzieren. Ohne politische Interventionen steuere der Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen und Schwarmstädten langfristig auf eine Wohnungsnot. Gerald Lipka und Professor Dr. Dieter Rebitzer, Verfasser des Konjunkturberichts, prognostizieren, dass der Wohnungsmangel in den kommenden Jahren weiter bestehen bleibt und sich in nachfragestarken Regionen sogar verschärfen könne. „Die Ursachen liegen beim Anstieg der Baukosten, den immer neuen und verschärften Regulierungen sowie im Finanzierungsumfeld“, so Rebitzer.

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