„Der Nutzen kleinerer energetischer Maßnahmen wird oft unterschätzt.“
In dieser Ausgabe der Interviewreihe „Im Fokus“ spricht Professor Dr.-Ing. Andreas Beck, Studiendekan an der Hochschule für Technik Stuttgart, Fakultät Bauingenieurwesen, Bauphysik und Wirtschaft, über die enormen energetischen Verluste in unsanierten Wohngebäuden.
iwm-aktuell: Dr. Beck, Sie haben vor einigen Monaten untersucht, wie sich die Wärmeverluste bei 30 Jahre alten Holzfenstern verändern, wenn die Beschläge und Dichtungen erneuert werden. Wie sind Sie bei Ihrer Forschung vorgegangen?
Bei unserer Untersuchung haben wir uns auf die Auswirkungen abgenutzter Dichtungen und Beschläge konzentriert, die häufig dazu führen, dass Fenster nicht mehr richtig abdichten und es in den Räumen unangenehm zieht. Hierzu wurde ein 30 Jahre altes Holzfenster mit den Maßen 100 x 150 cm im Labor untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die undichten Stellen im Fensterfalz auf eine Fläche von 5 cm² summierten. Diese undichten Stellen erlaubten es, dass erwärmte Raumluft ungehindert entweichen konnte, was zu der schlechtesten Dichtheitsklasse 1 gemäß DIN EN 12207 führte. Nachdem das Fenster von den Technikern der Service Friends mit neuen Dichtungen und Beschlägen ausgestattet wurde, reduzierte sich der Luftdurchgang auf schlanke 0,3 cm². Dadurch verbesserte sich die Luftdichtheit um das 15-fache. Das Fenster erreichte jetzt eine deutlich bessere Dichtheitsklasse, nämlich Klasse 3 bei hoher und sogar Klasse 4 bei normaler Windlast.
Welches Fazit zogen sie aus den Ergebnissen Ihrer Untersuchung?
Das 30 Jahre alte Fenster war nach der Modernisierung so dicht wie ein fabrikneues Fenster, das den Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für Neubauten entspricht. Unsanierte Fenster hingegen haben gravierenden Auswirkungen auf die Energieeffizienz und Heizkosten von Gebäuden. Ein gezieltes Fenster-Upgrade, das die Dichtigkeit wiederherstellt, kann die Heizkosten um bis zu 15 Prozent reduzieren. Dabei sollten nicht nur die Beschläge und Dichtungen, sondern gegebenenfalls auch das Glas ausgetauscht werden. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass selbst kleine Modernisierungsmaßnahmen an alten Fenstern erheblich zur Energieeffizienz eines Gebäudes beitragen können.
Was bedeuten die Erkenntnisse für Akteurinnen und Akteure der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft? Welche Maßnahmen sollten sie ergreifen?
Um die europäischen Klimaziele zu erreichen, müssen wir nachhaltige, kostengünstige und effektive Sanierungsmaßnahmen ergreifen. Oft sind es bereits geringe Investitionen, die große Effekte erzielen können. Unsere wissenschaftliche Untersuchung belegt, dass durch die gezielte Modernisierung älterer Fenster die Energieeffizienz eines Gebäudes erheblich gesteigert und die Heizkosten drastisch gesenkt werden können. Ein solches Upgrade kann pro Jahr und Fenster etwa 300 kWh Energie einsparen, was etwa 30 m³ Erdgas entspricht. Natürlich wird aus einem 30 Jahre alten Fenster kein neues, aber die Reduzierung des Energiebedarfs im Gebäudebestand ist dennoch spürbar. Wenn der vollständige Austausch der Fenster aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht infrage kommt, kann ein professionelles Upgrade den Energiebedarf einer älteren Immobilie signifikant senken. Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse empfehle ich, ältere Fenster von Fachkräften überprüft zu lassen.
Welche Herausforderungen oder Hindernisse sehen Sie bei der breiten Umsetzung solcher Modernisierungsmaßnahmen in der Wohnungswirtschaft?
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, das Bewusstsein für die langfristigen Vorteile solcher Maßnahmen zu schärfen. Der unmittelbare Nutzen von kleineren Investitionen, wie dem Austausch von Fensterdichtungen und -beschlägen, wird oft unterschätzt. Es gibt vielleicht auch Vorbehalte wegen der anfänglichen Kosten und des organisatorischen Aufwands. Hier ist es wichtig, die Kosteneffizienz und den positiven Einfluss auf die CO2-Bilanz klar zu kommunizieren, um diese Hindernisse zu überwinden. Darüber hinaus werden Komfort (weniger Zugerscheinungen) und Schallschutz erhöht.
Bildquelle: Service Friends
Schlagwörter: Digitalisierung, Immobilienwirtschaft, Wohnungswirtschaft, Zukunft