„Immobilienverwaltung muss neu gedacht werden!“
In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Expertinnen und Experten der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht Justus Mentzel, COO der Erste Hausverwaltung GmbH, über notwendige Innovation und Transformation in der Immobilienverwaltungsbranche, um zukunftsfähig zu bleiben und einen attraktiven Arbeitsmarkt zu schaffen.
iwm-aktuell: Ihr Unternehmen hat ganz aktuell die Kooperation mit Odevo, einem der führenden Immobilienverwaltungsunternehmen im Bereich Wohnimmobilien in Europa, bekannt gegeben. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Justus Mentzel: Wir hatten zuvor bereits über eine Änderung unserer Finanzierungsform nachgedacht. Nach den ersten Gesprächen mit Odevo ist allen Beteiligten ziemlich schnell klar geworden, dass unsere Ziele und Visionen nahezu deckungsgleich sind. Wir denken sehr ähnlich über die Bedeutung von Software in der Branche, über die Problemfelder in Hausverwaltungen und darüber, mit welcher Ambition wir das Ganze angehen wollen. Die Gespräche wurden schnell konkreter und zeigten, dass Odevo seine Vision in den wichtigsten Märkten global umsetzen möchte und dafür die bestmöglichen Partner sucht. Durch die starken Überschneidungen kam der Gedanke ein Teil von Odevo zu werden, um mit unserer Vision auch den deutschen Markt zu erschließen und Hausverwaltungen neu zu denken. Jetzt sind wir seit September Teil von Odevo und unser Ziel ist die führende Hausverwaltung auf dem stark fragmentierten deutschen Markt zu werden. Mit einem klaren Fokus auf eine exzellente Kundenerfahrung, organisches Wachstum und Investitionen in Software und natürlich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Hausverwaltungen werden oft als traditionelles und wenig innovatives Geschäft wahrgenommen. Wie wollen Sie das ändern?
Wer sich mit der Immobilienverwaltungsbranche beschäftigt, erkennt die Probleme schnell: Arbeitsprozesse sind oft papierbasiert, analog und nicht an das digitale Zeitalter angepasst. Selbst eingesetzte Software ist häufig veraltet und spiegelt nicht die heutigen Anforderungen wider. Der eigentliche Knackpunkt ist jedoch nicht die Erkenntnis, sondern die Umsetzung: Wie schaffen wir eine Transformation, die wirklich greift, und welche Investitionen sind dafür nötig? Es reicht nicht, digitale Prozesse einfach zu integrieren. Es braucht eine ganzheitliche, strategische Ausrichtung hin zur Hausverwaltung der Zukunft. Der Markt ist stark fragmentiert, geprägt von einem hohen Altersdurchschnitt der Beschäftigten und einem vorwiegend lokalen Ansatz. Eine überregionale, digitale Infrastruktur war bisher selten relevant – doch das ändert sich. Erste Verwaltungen, auch wir, haben diesen Weg eingeschlagen. Unsere Vision ist geprägt von tiefen Investitionen in Software, aber auch in die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – denn selbst die beste Software bringt keinen Mehrwert, wenn sie nicht richtig genutzt wird. Deshalb setzen wir auf den Wandel hin zu effizienten digitalen Prozessen und schulen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn hier schlummert das mit Abstand größte Potenzial. Das ist ein Ansatz, den vermutlich noch niemand allumfassend aufgegriffen hat. Unser Ziel ist es, ein attraktiver Arbeitgeber mit modernen Arbeitsmitteln und einem angenehmen Arbeitsumfeld in der Branche zu sein – was aktuell noch kein Standard ist.
Immobilienverwaltung in Deutschland neu denken – was meinen Sie damit genau?
Unsere Vision spielt hier eine zentrale Rolle. Die Immobilienverwaltungsbranche arbeitet noch immer mit veralteten Strukturen und Prozessen, die sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert haben. Daher geht es bei der Modernisierung nicht darum, 10 Prozent besser zu werden oder punktuell nachzubessern – es fehlt vielmehr eine ganze Generation an Fortschritt. Unser Ansatz ist, alles grundlegend neu zu denken: jeden Prozess zu hinterfragen, ob er zeitgemäß, kundenorientiert und wirklich sinnvoll ist. Würde man diese Abläufe heute, mit einem frischen Blick von außen, genauso gestalten? Gerade in dieser Branche ist das Denken „Das haben wir schon immer so gemacht“ tief verankert. Deshalb braucht es teilweise provokantes, vielleicht sogar etwas radikaleres Umdenken. Gleichzeitig wissen wir, dass große Veränderungen für alle Beteiligten anstrengend sind. Während das Neudenken oft der einfachere Teil ist, liegt die wahre Herausforderung in der Umsetzung. Es erfordert ein klares Zielbild – wie die „digitale Hausverwaltung“ oder „Hausverwaltung 2.0“. Bislang hat noch niemand diesen Wandel erfolgreich vollendet, aber genau daran arbeiten wir.
Welche Veränderungen sind in den kommenden Jahren notwendig, damit Immobilienverwaltungen zukunftsfähig bleiben? Und wie kann Erste Hausverwaltung GmbH dabei unterstützen?
Der zentrale Punkt ist nicht die Steigerung der Arbeitseffizienz oder Profitabilität der Unternehmen als Selbstzweck. Vielmehr müssen wir Immobilienverwaltungen erst wieder zu einem attraktiven Arbeitsmarkt machen. Wenn sich jemand für Immobilien interessiert und sich geregelte Arbeitsabläufe oder eine attraktive Karriereleiter wünscht, entscheidet er sich in der Regel nicht für den Beruf des Hausverwalters. Überstunden und abendliche Eigentümerversammlungen mit oft unsachlicher Kritik sind keine Seltenheit. Gleichzeitig wird man in kaufmännischen, technischen und juristischen Belangen gleichermaßen gefordert – ohne die Unterstützung durch moderne digitale Tools. In einer Arbeitswelt, in der sich junge Menschen ihre Jobs aussuchen können, ist das kaum vermittelbar.
Das Ergebnis: Ohne eine Lösung für diese strukturellen Herausforderungen wird es keine Innovation in der Branche geben. Unser Ziel ist es, von Anfang an die richtigen Impulse zu setzen. Bei der Übernahme von Hausverwaltungen suchen wir Unternehmen mit einer soliden Basis, aber auch dort starten wir oft mit den Grundlagen: Wir möchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst zeitnah wieder in die Lage versetzen, produktiv, selbstbewusst und zielgerichtet zu arbeiten, und erhoffen uns dadurch einen Grad der Professionalisierung, der in vielen Verwaltungen fehlt. Das bedeutet auch, Verantwortung von Anfang an zu verteilen und neue Karriereperspektiven zu schaffen. Genau hier setzen wir an – mit den notwendigen Ressourcen und einer Vision für eine moderne Arbeitswelt.
Welche Voraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht geschaffen werden, damit Innovation und Wachstum
in der Immobilienverwaltung gelingt?
Innovation in der Immobilienverwaltungsbranche muss vielmehr aus dem Inneren, als aus Arbeitgeber- oder Dienstleisterperspektive kommen. Die meisten Kundinnen und Kunden fordern im Alltag keine übermäßige Innovation, sie erwarten vor allem, dass der Job, die eigentliche Dienstleistung ordentlich und zuverlässig durchgeführt wird. Solange die Immobilie gut verwaltet wird, keine groben Fehler passieren und alles in Schuss ist, sind die meisten zufrieden – auch wenn hier und da noch Papier im Spiel ist. Natürlich ist es angenehm, wenn Daten in einem Kundenportal verfügbar sind. Aber für viele reicht es auch, die benötigten Informationen auf Rückfrage per Mail zu erhalten. Viele Verwaltungen konzentrieren sich akut darauf, sich nach außen digital zu präsentieren, bleiben aber weit hinter ihren Potenzialen zurück, da die Prozesse im Hintergrund oft nicht richtig umgesetzt oder bis zu Ende gedacht werden. Die wichtige Zielgruppe für Innovation ist die Innenwelt: die Arbeitskräfte und die Organisationsstruktur. Erst dann steht Effizienz im Fokus. Wenn es gelingt, neue Talente ins Unternehmen zu holen und moderne Arbeitsabläufe einzuführen, entsteht die Basis für Wachstum. Mit effizienten Prozessen lassen sich größere, robustere Unternehmen aufbauen, in die wiederum in Software, Personal und Service investiert werden kann. Das schafft Freiraum, um wirklich guten Service zu bieten. Umgekehrt funktioniert es nicht. Es beginnt bei den eigenen Hausaufgaben.
Bildquelle: Erste Hausverwaltung GmbH/Justus Mentzel
Schlagwörter: Immobilienwirtschaft, Wohnungswirtschaft, Zukunft