Studie zum Wohnraumbedarf
Die Entwicklung des Wohnungsangebots ist von 2011 bis 2015 deutlich hinter der weit überdurchschnittlichen Bevölkerungszunahme und der Zunahme der Wohnhaushalte im Land zurückgeblieben. In diesem Zeitraum entstand eine „Wohnungsbaulücke“ von 88.000 Wohnungen. Das ist ein Ergebnis der von der L-Bank in Auftrag gegebenen Prognos-Studie zum Wohnungsbedarf in Baden-Württemberg, die im Rahmen der vierten Sitzung der Wohnraum-Allianz am 16. Oktober 2017 in Stuttgart vorgestellt wurde.
Bis zum Jahr 2020 besteht danach ein jährlicher Wohnungsneubaubedarf von 54.000 Wohnungen. Zugleich gilt es, das in den zurückliegenden Jahren aufgelaufene Wohnungsdefizit schrittweise zu reduzieren. Der jährliche Bedarf beläuft sich deshalb auf insgesamt 65.000 Wohnungen. 2021 bis 2025 müssen der Studie zufolge dann jährlich 43.000 zusätzliche Wohnungen gebaut werden.
Die Studie ist nach Einschätzung der Wirtschaftsministerin eine wichtige Grundlage für die weitere Arbeit der Wohnraum-Allianz. „Damit können wir die Situation auf dem Wohnungsmarkt im Land anhand von konkreten Zahlen noch besser einschätzen und unser weiteres Handeln noch zielgerichteter ausrichten“, betonte die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Neben dem bestehenden Bedarf und den Ursachen zeigt die Studie auch mögliche Handlungsfelder auf. „Schlüssel für eine ausreichende Wohnraumversorgung ist die dringend notwendige Gewinnung von Bauflächen. Die Wohnraum-Allianz wird sich hiermit eingehend befassen müssen. Wenn wir den bestehenden Engpass an Bauland nicht lösen, werden jegliche andere Bemühungen in ihrer Wirkung begrenzt sein“, mahnte Hoffmeister-Kraut.
Ein Ergebnis der Studie ist die Tatsache, dass einige Regionen in Baden-Württemberg in den kommenden Jahren von einem dauerhaften Mangel an Wohnraum betroffen sein werden. Der BFW formulierte vor diesem Hintergrund den Vorschlag, dass von der bisherigen Prämisse der Innen- vor der Außenentwicklung abgerückt werden müsse. Als Argument hierfür wurde angeführt, dass erfahrungsgemäß mindestens fünf bis zehn Jahre benötigt werden, bis ausgewiesene Neubaugebiete tatsächlich zur Verfügung stehen.
„Natürlich sind die Potenziale der Innenentwicklung vorrangig zu nutzen, aber es muss immer auch der zeitliche Vorlauf für den zukünftigen Bedarf eingeplant werden“, erläuterte BFW-Geschäftsführer Gerald Lipka. „Hier sollte langfristig gedacht und auch das Instrument der Außenentwicklung genutzt werden, damit in Baden-Württemberg auch in zehn Jahren ausreichend Bauland zur Verfügung steht“, so Lipka. Ministerin Hoffmeister-Kraut hat diesen Vorschlag des BFW aufgegriffen und in den politischen Prozess eingebracht. Sie machte deutlich, dass eine Überwindung der Flächenknappheit nur gelingen könne, wenn die darin liegende Herausforderung im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft des Landes, der Regionen und aller von Wohnungsmangel betroffenen Städte und Gemeinden angegangen wird. Sie appellierte in diesem Zusammenhang an die Planungsträger im Land, neben der Nutzung von bestehenden Innenentwicklungspotenzialen auch zusätzliche Wohnbauflächen zu aktivieren. „Der BFW begrüßt ausdrücklich die von der Ministerin gestellte Forderung, dass diese Frage auch im Kabinett diskutiert werden sollte“, betonte Lipka.
Die in der Studie aufgezeigten Empfehlungen und Handlungsoptionen werden nun zunächst intensiv in den Arbeitsgruppen der Wohnraum-Allianz erörtert.
Finanzielle Anreize für Kommunen für Flächenausweisung
Damit insbesondere Kommunen für den dringend benötigten sozialen Wohnungsbau verstärkt Flächen ausweisen, will Hoffmeister-Kraut diese künftig im Falle einer Inanspruchnahme der Mietwohnraumförderung des Landes durch Investoren mit einer Prämie belohnen. „Von dieser deutschlandweit bislang einmaligen Maßnahme erhoffe ich mir eine deutliche Belebung der Planungstätigkeit der Kommunen – gerade in Richtung von Flächen auch für den preisgünstigen Geschosswohnungsbau. Wir schaffen damit einen finanziellen Anreiz, vermehrt Flächen für den sozial orientierten Wohnungsbau auszuweisen“, erklärte die Ministerin. Das neue Instrument soll Bestandteil des künftigen Förderprogramms „Wohnungsbau BW 2018/2019“ werden, mit dem sich die Wohnraum-Allianz ebenfalls in ihrer Sitzung befasst hat.
Flexibilisierung des Sozialmietabschlages
Eine weitere Neuerung, die die Mietwohnraumförderung noch attraktiver machen soll, ist die Flexibilisierung des Sozialmietabschlages auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Hoffmeister-Kraut: „Angesichts der heterogenen Miethöhen im Land können die Investoren mit selbstgewählten Abstufungen zielorientierter reagieren. Dies gilt nicht nur für hohe Mieten in Ballungsräumen, sondern auch für geringere Miethöhen in ländlich geprägten Gebieten. In Verbindung mit unserer landesweiten Ausdehnung der Förderkulisse wird dies ein weiteres nachfrageorientiertes Element des Förderangebots des Landes.“
Den Wunsch der Wohnraum-Allianz, zugunsten der Wohnungswirtschaft gestiegene Kosten für den Bau und insbesondere für den Grundstückserwerb bei der möglichen Förderhöhe zu berücksichtigen, soll nach dem Willen der Ministerin ebenfalls in das neue Förderprogramm einfließen. „Nur so können wir sicherstellen, dass auch in teuren Lagen sozialer Wohnungsbau entstehen kann“, hob die Ministerin hervor.
Hoffmeister-Kraut legte dar, dass für das Programm 2017 nach knapp sechs Monaten Programmlaufzeit bereits Anträge für den Neubau von deutlich über 800 Sozialmietwohnungen sowie beantragte Bindungsbegründungen im Umfang von mehr als 300 Wohneinheiten vorliegen. Ziel sei es, mit den bereits beschlossenen neuen Eckpunkten das Programm in der kommenden Förderperiode weiter zu optimieren.
Finanzielle Förderung von Kooperationsmietspiegeln
Außerdem kündigte Hoffmeister-Kraut an, dass das Land künftig die Erstellung von Kooperationsmietspiegeln finanziell fördern wolle, was von der Wohnraum-Allianz ausdrücklich begrüßt wurde. „Das Ziel dieser deutschlandweit erstmalig angebotenen Förderung ist eine großräumige Erstellung von Mietspiegeln mit möglichst breiter Flächendeckung“, erklärte die Ministerin. Die Wohnraum-Allianz hat sich mit dem Ministerium bereits auf einzelne Eckpunkte der Förderung verständigt. Demnach soll eine Förderung bei einer Mindestanzahl von 10.000 Einwohnern je Kooperationsprojekt möglich sein. Die Höhe der Förderung soll bei 0,50 Euro pro Einwohner liegen und mit einem Höchstbetrag von 50.000 Euro je Kooperationsprojekt gedeckelt werden, sodass möglichst viele Kommunen eine Förderung erhalten können.
In der nun anstehenden Arbeitsperiode werden – neben der Bewertung der Empfehlungen der Studie zum Wohnungsbedarf – die Novellierung des Landeswohnraumförderungsgesetzes sowie die Evaluierung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes Kernthemen der Arbeit in der Wohnraum-Allianz sein. Das nächste Spitzengespräch der Wohnraum-Allianz findet im März 2018 statt.
Von Seiten des BFW wurde abschließend der Vorschlag eingebracht, die Wohnraum-Allianz über die Legislaturperiode hinaus zu verstetigen und zu einer dauerhaften Institution zu machen. Denn auch im nächsten Jahrzehnt wird der Bedarf an neuen Wohnungen eine wichtige Rolle spielen und das Gespräch zwischen dem Ministerium und den Verbänden notwendig machen.
Fotonachweis: BFW Baden-Württemberg