Bessere Rahmenbedingungen für den Erwerb von Wohneigentum
Mehr Eigentumswohnungen und Eigenheime: Deutschlands Chance auf die eigenen vier Wände soll steigen. Das wollen führende Branchenverbände gemeinsam erreichen und haben dazu die Offensive „Wohneigentum statt Miete“ gestartet. Erklärtes Ziel ist es, bundesweit pro Jahr 60.000 zusätzliche Wohnungen zu schaffen, die als selbstgenutztes Wohneigentum dienen. Durch bessere Rahmenbedingungen könne die Wohneigentumsquote deutlich erhöht werden, sind sich die Bündnispartner einig.
Unter dem Titel „Wohn-Perspektive Eigentum“ streben die Bundesarchitektenkammer (BAK), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Immobilienverband IVD und der Verband Privater Bauherren (VPB) ein Eins-zu-eins-Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern und Mietern in Deutschland an. Gemeinsam haben sie das Pestel-Institut mit der Studie „Eigentumsbildung 2.0 – Wie kann Wohneigentum die Mietwohnungsmärkte entlasten“ beauftragt. Konkret soll die Eigentumsquote bis 2020 von derzeit knapp 45 auf 50 Prozent gesteigert werden. Doch selbst dann würde Deutschland im Europa-Vergleich immer noch zu den Schlusslichtern gehören und nach heutigem Stand lediglich den drittletzten Platz belegen.
Dass dies nicht von ungefähr kommt, belegt eine aktuelle Pestel-Studie: Die Untersuchung der Wissenschaftler aus Hannover ergab, dass insbesondere den 25- bis 45-Jährigen immer seltener die Wohnung, in der sie leben, auch gehört. Rund 70 Prozent von ihnen seien Mieter. Die Eigentumsquote in dieser für den Wohnungskauf und Hausbau eigentlich typischen Altersgruppe sei in den vergangen Jahren deutlich zurückgegangen.
Keine Perspektive für Geringverdiener
„Dabei ist Wohneigentum ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge. Die eigene Wohnung ist die einzige Alterssicherung, die unabhängig von jeder Schwankung bei der Rentenhöhe im Alter ‚verzehrt‘ werden kann. Da die Qualität und Langlebigkeit deutscher Immobilien keine großen Reparaturen erwarten lassen, müssen sich Rentner um ihre eigene Wohnung auch nicht groß kümmern. Sie haben damit für die gesamte Phase ihres Ruhestands die Sicherheit eines dauerhaften ‚Daches über dem Kopf‘ – ohne Angst vor Mieterhöhungen oder einer Kündigung“, sagt Studienleiter Matthias Günther. Der Stellenwert, den die eigenen vier Wände im Alter hätten, ließe sich auch daran erkennen, dass es derzeit bei den Senioren, die auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen seien, kaum Wohnungseigentümer gebe.
Im Fokus der Studie stehen auch Geringverdiener. Ebenso Menschen, die in Leih- oder Zeitarbeit beschäftigt sind. Ihnen fehle heute häufig jede Perspektive auf Wohneigentum. Gründe dafür seien die mangelnde Langfristperspektive der Beschäftigung, eine oft zu geringe Bonität, ein nur geringes Eigenkapital und das Risiko einer Zinsänderung. Dabei stehe das Ziel, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, nach wie vor ganz oben auf der Wunschliste der Deutschen.
Die Studie sieht gerade bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen von 1.500 bis 2.500 Euro pro Monat großes Potenzial, den Wunsch nach Wohneigentum zu realisieren – und zwar in erster Linie durch den Kauf einer gebrauchten Eigentumswohnung. Die Wissenschaftler des Pestel-Instituts haben dazu das Verhältnis von Kaufpreis und Mietniveau ermittelt. Dabei wurden die im Preisspiegel des IVD ausgewiesenen Preise für Eigentumswohnungen mittleren Standards in Relation zu den offiziell festgestellten lokalen Mieten für einfache Wohnungen gesetzt. Herausgekommen ist eine Liste mit Städten, in denen es sich auch für untere Einkommensgruppen lohnt, Wohneigentum zu kaufen statt längerfristig zu mieten. Auf der „Wohneigentum-statt-Miete“-Liste mit den erschwinglichsten Städten stehen unter anderem Bremen, Nürnberg, Lübeck, Bochum, Darmstadt, Bamberg und Chemnitz.
Entscheidend für eine deutliche Steigerung der Wohneigentumsquote ist allerdings, so das Pestel-Institut, dass Bund und Länder sich zu einer „politischen Kehrtwende pro Wohneigentum“ durchringen. Bislang müsse sich der Staat den Vorwurf gefallen lassen, nahezu jedes Interesse daran verloren zu haben, die Menschen auf ihrem Weg zum Eigenheim oder zur selbst genutzten Eigentumswohnung zu unterstützen. „Mit der Abschaffung der Eigenheimzulage wurde die Förderung von Wohneigentum in Deutschland faktisch eingestellt. Und das ist schon zehn Jahre her“, so Günther weiter.
Bundesweite Absenkung der Grunderwerbsteuer
Gleichzeitig profitiere der Staat enorm, wenn es um das Bauen und den Kauf von Wohneigentum gehe. Allein im Jahr 2015 nahmen die Finanzminister und Kämmerer hierbei nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 8,2 Milliarden Euro an Steuern ein – von der Mehrwertsteuer, die mit 5,2 Milliarden Euro den Löwenanteil ausmachte, über die jüngst in gleich mehreren Bundesländern deutlich angehobene Grunderwerbsteuer bis zur Einkommenssteuer und zum Solidaritätszuschlag.
Vor diesem Hintergrund fordert das Verbändebündnis „Wohn-Perspektive Eigentum“ Bund und Länder auf, rasch neue Rahmenbedingungen für den Erwerb von Wohneigentum zu schaffen. Es richtete fünf Kernforderungen an die Politik: Schwellenhaushalte sollen beim Eigenkapital durch Zuschüsse unterstützt werden. Zudem müsse es eine deutliche Ausweitung der Wohneigentumsprogramme der KfW geben – mit einer Erhöhung des individuellen Kreditvolumens und einer langfristigen Zinsbindung. Außerdem warnen die Verbandspartner ausdrücklich davor, die Auflagen für die Immobilienfinanzierung zu überdrehen, weshalb die bestehende Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie entschärft werden müsse. Darüber hinaus dürfe das angekündigte Gesetz gegen eine mögliche Überhitzung des deutschen Immobilienmarkts die Wohneigentumsbildung nicht ausbremsen.
Eine weitere zentrale Forderung ist die bundesweite Absenkung der Grunderwerbsteuer in Kombination mit Freibeträgen beim Erwerb einer selbst genutzten Wohnung. Ferner gelte es, die Infrastruktur in Ballungsräumen zu fördern – mit einem akzeptablen Preis-Leistungs-Verhältnis. Die „Speckgürtel-Anbindung“ an Metropolen soll so gesichert werden. Abschließend spricht sich das Verbändebündnis für eine Bauland-Offensive für Wohneigentum aus: Insbesondere Kommunen sollen ihre Grundstücksreserven mobilisieren.
Kritik an Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Neben Immobilienfachverbänden befassen sich auch Banken mit den politischen Rahmenbedingungen: So stößt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die Kreditnehmer davor bewahren soll, Baufinanzierungen aufzunehmen, die sie sich nicht leisten können, bei einigen Kreditinstituten auf Kritik. Nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes sind allein im ersten Halbjahr 2016 die Zusagen für private Wohnimmobilienkredite um neun Prozent zurückgegangen. Der Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken kritisiert außerdem, dass Rentner und junge Familien mit niedrigen Einkünften benachteiligt würden. Denn das Gesetz verpflichtet die Banken dazu, die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden sorgfältiger zu überprüfen. Konnte zuvor der Wert der Immobilie bei der Kreditprüfung berücksichtigt werden, ist jetzt die Bonität des Kreditnehmers ausschlaggebender.
Darüber hinaus fordern die Banken auch schon bei jüngeren Familien höhere Tilgungen. Selbst die KfW hat als staatliche Bank die Gesamtlaufzeit des KfW-Wohneigentumsprogramm 124 von maximal 30 Jahren auf maximal 25 Jahre reduziert, so dass auch dort schon mit mindestens 3,2 Prozent getilgt werden muss. Alles in allem wird es für einkommensschwache Verbraucher dadurch schwieriger, Baufinanzierungen aufzunehmen.
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