„Die Digitalisierung im Gebäudebereich ist nicht mehr nice-to-have, sondern ein Must-have!“

In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Top-Entscheider und Experten der Immobilienwirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In der heutigen Ausgabe blickt Simon Vestner, Geschäftsführer der Digital Spine GmbH mit dem Produkt Aufzughelden, auf den Status Quo der Digitalisierung im Gebäudebereich, die Rolle von künstlicher Intelligenz in der Branche und auf die deutsche PropTech-Landschaft.

IWM-aktuell: Herr Vestner, welche Rolle spielt die Digitalisierung im Gebäudebereich?

Simon Vestner: Die Digitalisierung im Gebäudebereich ist nicht mehr nice-to-have, sondern ein Must-have. Ohne die Digitalisierung sind die ESG-Anforderungen nicht zu meistern. Die wiederum sind Grundlage, um die Finanzierung der Gebäude sicherzustellen. Zukünftig werden Banken nur noch Kredite an die Immobilienwirtschaft vergeben, wenn damit grüne Gebäude oder solche, die auf dem Weg dorthin sind, finanziert werden. Darüber hinaus kann durch Digitalisierung der CO2-Ausstoß von Gebäuden drastisch reduziert werden. Bedenkt man, dass Gebäude für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich sind, ergibt sich ein gigantischer Hebel.

Gehen wir noch einen Schritt weiter: Wie sehen sie die Branche im Bereich künstliche Intelligenz aufgestellt?

Leider stehen wir hier noch ganz am Anfang. Ziel muss es sein, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz für jedes Bestandsgebäude in Deutschland einen digitalen Zwilling zu erstellen. Damit können Informationen ausgewertet und Verbesserungen implementiert werden. Gebäudeeigentümer können so den Wert ihrer Immobilien steigern und Mieter profitieren von störungsfreien Abläufen, beispielsweise in den Bereichen Heizung oder Aufzug. Bei Aufzughelden haben wir mittlerweile drei KI-Algorithmen im Einsatz, die eigenständig nach Mustern schauen und uns so helfen, unsere erhobenen Daten aus der Aufzugsteuerung besser nutzen zu können.

Die Vorreiter der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft sind meist PropTechs. Wie steht es um sie in Deutschland?

Die deutsche Immobilienwirtschaft ist traditionsbewusst und stabil. Für PropTechs bietet das Vor- und Nachteile. PropTechs, die schon lange auf dem Markt sind, aber keine wirkliche Traktion hinbekommen, haben es in diesem Umfeld sehr schwer, Investoren zu finden. Im Gegenzug schaffen es junge Unternehmen wie wir immer wieder namhafte Fundings zu bekommen. Das gelingt nur, wenn das angebotene Produkt einen echten Mehrwert bringt und auch die Technologie im Hintergrund funktioniert. Im Fall der Aufzughelden ist es die Kombination aus Hardware, Software und künstlicher Intelligenz, die sowohl Investoren als auch die Branche überzeugen. Wir schaffen es, der Branche mittels Daten Wissen zur Verfügung zu stellen, mit dem sie bessere Entscheidungen treffen kann. Ist dieser Schritt geschafft, hat man als PropTech mit der Immobilienwirtschaft einen Partner, auf den man sich auf Jahrzehnte verlassen kann.

Wo sehen Sie die Branche in 10 Jahren?

In meiner Vision haben wir jedes Gebäude in Deutschland digitalisiert oder zumindest mit einem digitalen Zwilling abgebildet, den wir mit gewonnen Daten füttern können. Viele mögen das als Wunschdenken bezeichnen, aber ich weiß aus Erfahrung, wie schnell so ein digitaler Zwilling erstellt werden kann. Nach derzeitigem Stand halte ich das daher nicht für unmöglich.