Die Immobilienbranche in den Wogen der Finanzwelt

Durch die Finanzkrise 2007 und der damit einhergehenden Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers wurde klar, dass die zu dem Zeitpunkt gültigen Regulierungen durch Basel II nicht mehr zeitgemäß waren. Folglich wurde ein neuer Standard (Basel III) durch den Baseler Ausschuss erstellt, der nun seit 2013 schrittweise eingeführt wird. Doch damit nicht genug: Vor dem Hintergrund der derzeitigen verschärften Situation an den Finanzmärkten werden bereits neue Regulierungen im Rahmen von Basel IV diskutiert.

Als Mitte der 1970er-Jahre die aufstrebende Kölner Herstatt Bank sowie weitere Kreditinstitute aufgrund mangelnder Solidität und fehlendem Eigenkapitals Insolvenz anmeldeten, zeigte sich, dass der Bankenlandschaft einheitliche Standards sowie eine Supervision fehlen. Daraufhin wurde auf Initiative der G10 Staaten der Basler Ausschuss gegründet. Dieser erarbeitet gemeinsam mit Banken und Aufsichtsbehörden Richtlinien, welche anschließend national umgesetzt werden, beispielsweise zur Eigenkapitalquote der Geldhäuser. 1988 schließlich wurden die ersten Basler Eigenkapitalvereinbarungen definiert, besser bekannt als „Basel I“.

Diese Regulierungen sind notwendig, um systemrelevante Bankenpleiten zu verhindern, doch beinhalten sie auch eine Reihe von kontraproduktiven Aspekten. Durch die außerordentlich hohen Standards in Bezug auf die Eigenkapitalquote der Banken, droht sich das Finanzierungsumfeld für den Mittelstand weiter zu verschlechtern. Gerade kleine Banken und Privatbanken, die traditionell besonders mit dem Mittelstand verknüpft sind, haben Probleme diese Quoten direkt umzusetzen.

Kreditvergabe stagniert seit mehreren Jahren

Dies Alles geschieht zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Seit mehreren Jahren stagniert – die für die Konjunktur essentielle – Kreditvergabe. Die Europäische Zentralbank versucht mit immer weiteren Maßnahmen wie Zinssenkungen oder dem Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen diese Problemstellung in den Griff zu bekommen, doch eine Trendwende ist nicht in Sicht. Selbst ungewöhnliche Maßnahmen wie der Einsatz des sogenannten „Helikopter-Gelds“, das Verteilen von Kapital an die Bevölkerung zur Konsumförderung, scheinen nicht mehr gänzlich unmöglich.

Im diesem Kontext des Niedrigzinses und der konjunkturellen Stagnation in Europa fällt es Kreditinstituten schwer, Profit zu generieren, denn das klassische Bankgeschäft mit der Hereinnahme von Spareinlagen und der Ausgabe von Krediten ist nicht mehr rentabel. Dies zwingt manche Banken sogar zu der drastischen Maßnahme, negative Einlagenzinsen von ihren Kunden zu verlangen.

Neustrukturierung nach Brexit unumgänglich

Weiterhin sieht sich gerade die Finanzwirtschaft der Europäischen Union vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung: Nachdem die Briten für den Austritt aus der EU plädiert haben, müssen sich die in Großbritannien und besonders am Finanzplatz London stark vertretenen Finanzkonzerne neu aufstellen.

Europäische Gesetze erschweren Kreditnahme

Auch die Immobilienkreditrichtlinie der Europäischen Union erschwert die Vergabe von Darlehen. Banken werden dazu verpflichtet, die Bonität potentieller Vertragspartner noch genauer als bisher zu prüfen. So muss der Fokus bei der Bonitätsprüfung fast ausschließlich auf die langfristige Zahlungsfähigkeit gelegt werden. Was gerade im Immobilienbereich eine große Einschränkung bedeutet: An junge Familien, die ein Eigenheim finanzieren wollen oder an Rentner, die eine altersgerechte Immobiliensanierung über einen Kredit ermöglichen wollen, kann oftmals kein Darlehen vergeben werden. Eine weitere restriktive Wirkung hat der Wert der Immobilie, der nicht mehr als Sicherheit ausreicht und somit viele Kreditentscheidungen negativ ausfallen lässt.

Immobiliensektor von Krediten abhängig

Das Geschäft mit Immobilien ist seit jeher eng mit dem Finanzierungsbereich verbunden: Projekte von Bauträgern werden finanziert, Aufträge durch Bauunternehmen werden zwischenfinanziert oder die Käufer von Eigenheimen nehmen zur Finanzierung einen Kredit auf. Ich möchte sogar behaupten, in keiner Branche sind die Verbindungen zwischen Finanz- und Realwirtschaft enger als in der Immobilienbranche.

Es ist also essentiell, dass das Finanzierungsumfeld, sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen, nachhaltig positiv ist. Seit einiger Zeit gibt es hier im Bereich der Baukredite eine leicht positive Tendenz: Laut der Deutschen Bundesbank war diese Kreditsumme mit 1,23 Billionen Euro zum Jahreswechsel 2015/2016 die höchste seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007. Folglich wäre eine weitere Verschärfung der Bankenregulierung durch Basel IV ein schwerer Schlag für die Immobilienbranche, da sie diese Erholung stoppen könnte. Eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung legt nahe, dass Kreditinstitute die gestiegenen Kosten für die Eigenkapitalhinterlegung von Darlehen an die Kreditnehmer weitergeben könnten beziehungsweise müssten.

Kontraproduktiv wirkt bei Basel III neben der gestiegenen Eigenkapitalhinterlegung bereits die neue risikounabhängige Verschuldungskennziffer, die sogenannte Leverage ratio. Diese Kennzahl berücksichtigt nicht – konträr zu den ehemaligen Vorschriften – die Risiken der jeweiligen, sehr unterschiedlichen Bankgeschäfte. Dieser Usus der fehlenden bilanziellen Risikosensitivität setzt also Anreize für eine Minderung von risikoarmen Geschäften. Immobilienfinanzierungen sind aufgrund ihrer geringeren Marge und der hohen Sicherheit traditionell als risikoarmes Bankgeschäft angesehen und könnten dadurch weniger angeboten werden und im Volumen sinken.

Die künftige Kreditversorgung darf also nicht durch eine Schwächung der Banken gefährdet werden. Denn es ist keine Alternative für die Unternehmen der Immobilienbranchen, auf alternative Anbieter von Finanzierungen auszuweichen. Hier bestünde nämlich die Gefahr der Verschiebung in einen weniger regulierten Bereich. Dies könnte neue Verwerfungen im Finanzsektor zur Folge haben. Stattdessen sollte die Regulierung der Kreditinstitute mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Praxis erfolgen.

Andreas Eisele,
Präsident BFW Bayern

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