„Dramatik der Lage wird vielfach noch verkannt“

Immer weniger Wohnungen verfügbar trotz steigender Nachfrage

Im Wohnungsbau ist die Zahl der Baugenehmigungen 2022 und in den ersten Monaten 2023 weiter eingebrochen. Der BFW Baden-Württemberg schlägt mit seinem Konjunkturberichts 2022/23 Alarm, denn eine Trendwende am Wohnungsmarkt ist nicht in Sicht. „Institutionelle wie auch private Bauherren verzichten notgedrungen immer öfter darauf, ihre Baupläne zu verwirklichen“, erklärte Gerald Lipka, Geschäftsführer des BFW Landesverbandes Baden-Württemberg, anlässlich der Präsentation des Berichts. Damit gerate die wichtigste Säule des Wohnungsneubaus ins Wanken. „Es muss von Seiten der Politik jetzt entgegengesteuert werden,“ mahnte Lipka.

Der Negativtrend setzt sich fort: Bereits in den vergangenen Jahren konnte ein bundesweiter Anstieg der Baugenehmigungen sowie ein Rückgang der Baufertigstellungen festgestellt werden. Und auch 2022/2023 ist da keine Ausnahme, wie der aktuelle Wohnungswirtschaftlichen Konjunkturbericht, den der BFW Baden-Württemberg gemeinsam mit Prof. Dr. Dieter Rebitzer, Studiendekan an der Fakultät Wirtschaft und Recht der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) veröffentlichte, zeigt. Als Ursachen geben die Autoren vor allem den überproportionalen Anstieg der Baukosten sowie verschärfte Rahmenbedingungen und Regulierungen an. Insbesondere das Finanzierungsumfeld hat sich durch die Zinswende verschlechtert. Auch die geringe Verfügbarkeit von Baugrundstücken stellt für private Bauherren und Kommunen gleichermaßen ein Problem dar. Die volkswirtschaftliche Stagflation mit hoher Inflation bei gleichzeitig geringem Wirtschaftswachstum führt zu Realeinkommens- und Vermögensverlusten und wirkt sich negativ auf die Bautätigkeit aus.

Auch Baden-Württemberg von Negativtrend betroffen

50.823 Baugenehmigungen für Wohnungen wurden in Baden-Württemberg, eines der einkommensstärksten Bundesländer, im Jahr 2022 erteilt – 8,2 Prozent weniger als 2021. Dieser Trend verstärkte sich 2023 im Januar und Februar mit einem Minus von 7.879 genehmigten Wohnungen – 11,2 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ein Indiz dafür ist der wachsende Bauüberhang, also die Differenz zwischen genehmigten und tatsächlich gebauten Wohnungen.

Dieser hat sich in Baden-Württemberg zum 31.12.2021 um 10,6 Prozent auf 113.898 Wohnungen gegenüber dem Vorjahr erhöht. Es wird also tatsächlich immer weniger gebaut. „Gerade private Bauherren schrecken vor Bauvorhaben zunehmend zurück, obwohl diese zur Stabilisierung des Wohnungsbaus beitragen. Sie haben 2022 3,3 Prozent weniger in neue Wohnungen investiert als 2021“, erklärte Lipka. Doch ihre Bedeutung ist für den Markt ist groß: Ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen der Bautätigkeit in Baden-Württemberg liegt bei 62 Prozent – dies entspricht 7,2 Milliarden Euro. Und auch die Wohnungsunternehmen haben ihr Engagement auf 3,7 Milliarden Euro heruntergefahren – ein Minus von 6,1 Prozent.

Wohnungspreise für den Mittelstand sind nicht mehr tragbar

Die seit Jahren bestehende Lücke zwischen der Zielsetzung der Landesregierung von jährlich 65.000 neuen Wohnungen und den tatsächlich errichteten Wohnungen liegt damit auch 2022 gleichbleibend hoch bei rund 25.000 Wohnungen. In der Landeshauptstadt Stuttgart liegt der Quadratmeterpreis für eine Eigentumswohnung im Bestand mit gutem Wohnwert bei durchschnittlich 5.500 Euro. Für eine neue Eigentumswohnung werden im Stadtbereich durchschnittlich 8.800 Euro pro Quadratmeter bezahlt – in der Spitze im gesättigten Luxussegment bis zu 16.300 Euro pro Quadratmeter. „Wenn der Kaufpreis für ein freistehendes Einfamilienhaus aus dem Bestand bei durchschnittlich 1,2 Millionen Euro liegt, dann ist dies für einen Großteil des Mittelstands nicht mehr tragbar“, erklärte Lipka. „Baden-Württemberg ist ein Beispiel für die große Bedeutung privater Bauherren beim Wohnungsneubau. Neben steigenden Baukosten und Hypothekenzinsen setzen die Kosten für die Energiewende den privaten Bauherren massiv zu “, schlussfolgerte Lipka. „Die Politik fordert beim Wohnungsbau von den privaten Bauherren und Investoren immer mehr, will zu viel gleichzeitig und ignoriert dabei die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, so der BFW Baden-Württemberg Geschäftsführer weiter. Außerdem sorge sie nur unzureichend für Entlastung. Besser wäre es, sich auf die effizientesten Maßnahmen zu beschränken, um die Bauwilligen nicht zu überlasten. Der Anstieg der Baupreise in Deutschland hat sich abermals stark beschleunigt. So stiegen die Preise für konventionell gefertigte Wohngebäude im Jahresdurchschnitt 2022 deutschlandweit um 17,2 Prozent mit weiter steigender Tendenz bis Februar 2023. „Die Dramatik der Lage wird vielfach noch verkannt“, resümierte Lipka.

Lösungen müssen jetzt auf den Tisch – und umgesetzt werden

„Es ist mehr als bedauerlich, dass Politik auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene diesen Entwicklungen nicht beherzt und mit klaren Entlastungssignalen entgegentritt“, erklärte Lipka. So wären mehr bebaubare Grundstücke, eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer und verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten ein klares Signal an den Markt, wie auch an Projektentwickler, die dringend benötigten Wohnungen zu bauen. „Im Bausektor mit einem Planungszeitraum von mehreren Jahren brauchen wir langfristig verlässliche Rahmenbedingungen und Förderstrukturen, die Wohnungsbau auch in herausfordernden Zeiten wie heute ermöglicht. Denn gerade jetzt wird die Wirtschaftlichkeit der Projekte immer wichtiger“, betont Lipka. Hinzu komme, dass sich nur in einem wirtschaftlich gesunden Umfeld soziale Bauprojekte verwirklichen lassen, die in Deutschland ebenfalls gebraucht werden. „Leider verkennt die Politik, welche gravierenden Auswirkungen der zurückgehende Wohnungsbau auf den angespannten Mietmarkt hat. Denn wenn private Bauherren ihr Projekt Eigentumsbildung aufgeben und auf Mietwohnungen ausweichen, belastet das den ohnehin angespannten Mietwohnungsmarkt zusätzlich und treibt die Mietpreise nach oben“, so der BFW-Geschäftsführer. Dies führe zu deutlichen Mietsteigerungen – ein weiteres Problem auf dem ohnehin überhitzten Markt.

Vollständiger Bericht zum kostenlosen Download

Der vollständige Konjunkturbericht steht auf der Internetseite des BFW Baden-Württemberg zum kostenlosen Download bereit.

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