“Ab nächstem Jahr kommen Unternehmen nicht mehr an der E-Rechnung vorbei!”

In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Top-Entscheiderinnen und Entscheider der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht wowiconsult-Geschäftsführer Oliver Häcker über die Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft durch die Einführung der E-Rechnungspflicht.

iwm-aktuell: Der Bundesrat hat mit der Zustimmung zum Wachstumschancengesetz den Weg frei für die obligatorische E-Rechnung gemacht. Was bedeutet das für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft?

Oliver Häcker: Ab 2025 werden Unternehmen und Selbstständige im Geschäftsverkehr nicht mehr um die E-Rechnung herumkommen. Dann müssen sie in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und rechtssicher zu archivieren. Ab Januar 2027 dürfen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 800.000 Euro nur noch elektronische Rechnungen an Leistungsempfänger stellen. Ein Jahr später trifft dies auf alle Unternehmen zu.

Was ist der Unterschied zwischen einer elektronischen Rechnung und einer eingescannten Papierrechnung oder einer im PDF-Format?

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Papier- oder PDF-Rechnung und einer E-Rechnung liegt darin, dass eine E-Rechnung nach EU-Norm eine strukturierte Rechnung ist, die elektronisch übermittelt wird und eine automatische sowie elektronische Verarbeitung ohne manuelle Eingriffe ermöglicht. Im Gegensatz dazu sind Papier- und PDF-Rechnungen bildhafte, für Menschen lesbare Darstellungen, die eine manuelle Dateneingabe oder zumindest zwingend eine zusätzliche Prüfung erforderlich machen. Die E-Rechnung ergänzt die bildhafte Darstellung um ein XML-Format. Die elektronische Rechnungsstellung kann dabei über verschiedene Standards wie die XRechnung ermöglicht werden.

Welche Prozesse und Rechnungsanlagen sind Ihrer Einschätzung nach für Unternehmen in der Wohnungswirtschaft besonders geeignet, um sich gut auf diese Änderungen vorzubereiten?

Ein digitaler Rechnungsprozess erfordert eine stabile Prozessumgebung. Deshalb sollten Unternehmen als erstes bereits gut strukturierte oder einfache Prozesse auswählen. Prozesse mit einem simplen Aufbau, wie standardisierte Wartungsrechnungen, lassen sich am einfachsten in elektronische Formate umsetzen. Am besten schaut man, welche Rechnungen kommen bereits als XRechnung ein. Dann kann man mit diesem Prozess anfangen. Im zweiten Schritt lassen sich dann auch jene Prozesse definieren, die auf klassischen PDF basieren. Diese sind jedoch fehleranfälliger und erfordern in der Regel den Einsatz einer zusätzlichen KI-Technologie, um die Fehlerquote in der Erkennung zu minimieren.

Wie unterstützt wowiconsult Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse?

Für die Rechnungseingangsprüfung bieten wir Plausibilitätsprüfungen durch die Anbindung unserer Systeme an. Die wowiconsult bietet seit zwanzig Jahren das technische ERP-System mevivo an. Auf unser Klimapfadtool mevivoECO setzen mittlerweile 90 Kunden aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Unsere Systeme ermöglichen eine strukturierte Datenablage und unterstützen unsere Kunden so bei der digitalen Transformation und Bündelung von Prozessen.

2025 wird nicht nur die E-Rechnung verpflichtend, sondern auch das ESG Reporting für größere Unternehmen und ein Jahr später für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Was kommt hier auf die Branche zu?

ESG ist bereits heute für jedes Wohnungs- und Immobilienunternehmen relevant – Stichwort: Finanzierung. Daher ist es unerlässlich, dass sich die Unternehmen umgehend mit der Datensammlung und der Erfüllung der Anforderungen befassen. Firmen, die bisher keine Erfahrung mit Nachhaltigkeitsberichterstattung haben, sollten sich mit erfahrenen Dienstleistern austauschen oder sich selbst intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. So können die passenden Berichtsstandards gewählt, Richtlinien für die Berichterstattung umgesetzt und die notwendigen Daten erhoben werden. Durch eine proaktive Herangehensweise stellen Unternehmen sicher, dass sie jederzeit über die erforderlichen Daten verfügen, ohne von vorne beginnen zu müssen, wenn es zur gesetzlichen Verpflichtung wird. Dieser vorbeugende Ansatz ermöglicht es, flexibel und effizient auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren und die Arbeitsabläufe zu optimieren. So können die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung effektiv erfüllt und gleichzeitig langfristige Nachhaltigkeitsstrategien gestärkt werden.