„Gelassenheit ist so etwas wie mein Grundzustand“ – Im Gespräch mit Dr. Thomas Schäfer

Herr Dr. Schäfer, nach dem Scheitern der zunächst favorisierten Jamaika-Koalition auf Bundesebene steht Deutschland seit Monaten zumindest gefühlt ohne Regierung da. Auch das Zustandekommen einer erneuten Großen Koalition hing zwischenzeitlich am seidenen Faden. Inwiefern hat diese scheinbar nicht enden wollende Hängepartie in Berlin die politischen Prozesse auf Landesebene beeinflusst?

Ich habe das natürlich zunächst mit Interesse und dann mit wachsender Besorgnis verfolgt. Dass es so schwierig ist, Partner zu finden, die dieses Land gestalten, führen und Tag für Tag noch ein Stück besser machen wollen, hat mich irritiert. Verantwortung übernehmen und regieren zu dürfen ist ein großes Geschenk der Wähler an uns Politiker, das wir aber auch annehmen und sorgsam behandeln sollten. In Hessen tun wir das. Und wir machen das ganz ordentlich, denke ich. Deshalb hat die Hängepartie in Berlin auch keinen Einfluss auf unsere Arbeit gehabt. Wo wir auf den Bund angewiesen sind, um Dinge voranzutreiben, haben wir schon deutlich gemacht, dass das Leben weitergeht und nicht auf Berlin wartet.

Es ist bereits abzusehen, dass CDU und SPD auf Bundesebene gleichermaßen vor einem Umbruch stehen – sowohl inhaltlich als auch personell. Welche Perspektiven sehen Sie persönlich vor diesem Hintergrund, die im Grunde von allen Seiten gewünschte politische Stabilität sicherzustellen?

Wenn ich an dieser Stelle als Parteipolitiker sprechen darf, erlauben Sie mir den Hinweis, dass es die Union ist, die wie keine andere Partei für politische Stabilität stand, steht und weiterhin stehen wird. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, so haben den die vergangenen Monate erbracht. Mit der Union und mit der Kanzlerin wird Deutschland ein stabiles Land bleiben. Das in der öffentliche Diskussion viel geschmähte „Weiter so“ ist für mich daher auch ein Versprechen an die Zukunft: Wenn wir es weiterhin schaffen, unser Land so stabil und erfolgreich zu halten, dann haben wir viel gewonnen. Denn selten ging es unserem Land so gut wie jetzt. Was natürlich nicht heißt, dass alles so bleiben soll wie es war.

Als Mitglied der Finanzministerkonferenz sind Sie maßgeblich an der Diskussion zur Reform der Grunderwerbsteuer beteiligt. Die Immobilienwirtschaft macht sich bereits seit langem für eine Deckelung stark, um dem kontinuierlichen Anstieg der Nebenkosten beim Immobilienkauf zu begegnen. Hand aufs Herz: Dürfen Kaufinteressenten und Anbieter in absehbarer Zeit auf eine spürbare Entlastung hoffen?

Die Grunderwerbsteuer steht ja oft als Grund für die stagnierende Wohneigentumsquote in Deutschland in der Kritik. Mir erscheint dies zu oberflächlich. Schon die sonstigen Erwerbsnebenkosten sind in Deutschland deutlich höher als die gesamten Erwerbsnebenkosten inklusive Steuer beispielsweise in den Niederlanden. Und in Sachsen oder Bayern sind trotz der niedrigeren Steuersätze die Wohneigentumsquoten nicht höher als in vielen anderen ost- beziehungsweise westdeutschen Flächenländern. Eine niedrige Grunderwerbsteuer bedeutet nicht zwangsläufig eine höhere Wohneigentumsquote. So viel zur Ökonomie. Für den Einzelnen erleichtert eine niedrigere Grunderwerbsteuer natürlich die Umsetzung des Kauf- oder Bauvorhabens. Die Festlegung des Steuersatzes liegt richtigerweise in der Hand jedes einzelnen Landes. Dies durch einen bundesgesetzlichen Deckel einzuschränken, halte ich für falsch. Denn die Länder haben nur sehr begrenzte Handlungsspielräume auf der Einnahmenseite. Nur bei der Grunderwerbsteuer können sie die Höhe der Einnahmen über den Steuersatz selbst beeinflussen. Für Hessen sehe ich mit sechs Prozent Steuersatz das Ende der Fahnenstange als erreicht an. Ich wünsche mir eine Senkung dieses Satzes, wenn auch die künftig wieder zur Steuer beitragen, die sich bislang durch geschickte Gestaltungen davon befreien. Daran arbeite ich mit Nachdruck.

Um dem Wohnungsmangel und der sich ständig drehenden Preisspirale beizukommen, setzt die Politik in erster Linie auf umfangreiche Förderprogramme, die die Bautätigkeit ankurbeln und das Angebot am Markt vielfältiger machen sollen. Die größte Hürde beim Immobilienkauf – nämlich die Erwerbsnebenkosten, die in der Regel nicht fremdfinanziert werden – bleibt dennoch bestehen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, gerade junge Familien in diesem Punkt etwa durch Freibeträge zu unterstützen?

Auf dieses Thema geht der Koalitionsvertrag ja ein, wie auch auf ein Baukindergeld. Bei allen staatlichen Wohneigentumsförderungen ist zu bedenken, dass sie preistreibende Effekte am Immobilienmarkt haben können, insbesondere wenn einem unelastischen Angebot eine höhere Nachfrage gegenübersteht. Für die Familien wäre letztlich nichts gewonnen: Die Steuerlast sinkt, aber der Kaufpreis steigt. Verkäufer wären die Gewinner, der Fiskus Verlierer. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zur Reform der Grunderwerbsteuer räumt die Möglichkeit solcher subventionspolitischer Fehllenkungen ein. Und auch bei der früheren Eigenheimzulage wurden ja solche negativen Erfahrungen gemacht. Sie wurde übrigens in einer Zeit abgeschafft, in der die Wohneigentumsquote geringer war als heute. Ein weiterer Nachteil selektiver Freibeträge ist die Gefahr, dass die Steuermindereinnahmen durch höhere Steuersätze gegenfinanziert werden. Und wie zur vorherigen Frage erläutert, sollten die Sätze ja sinken und nicht steigen. Ein Freibetrag nach dem Gießkannen-Prinzip wirkt auch sehr ungleich: In Eschwege stellt er womöglich den gesamten Kaufpreis für ein Durchschnittseinfamilienhaus steuerfrei, in Frankfurt nur einen Teil davon.

Im September 2018 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Der schwarz-grünen Regierung wird im Allgemeinen gute Arbeit bescheinigt, von einer Wechselstimmung im Land kann derzeit keine Rede sein. Grund genug, der Wahl gelassen entgegenzusehen?

Gelassenheit ist so etwas wie mein Grundzustand. Damit bin ich bislang ganz gut durchs Leben gekommen. Insofern sehe ich auch der Landtagswahl gelassen entgegen, denn ich möchte dem Wähler gerne so gegenüber treten, wie ich bin. Man kann aber gelassen sein und trotzdem jeden Tag hart und konzentriert für ein Ziel arbeiten. Und das muss jeder tun, der am 28. Oktober gewählt werden möchte. Auch die Landesregierung. Gelassen zu sein heißt ja nicht, etwas auf die leichte Schulter zu nehmen. Letzteres wäre fatal. Wir werden bis zum Ende der Legislaturperiode mit Freude und Gelassenheit diesem Land dienen und im Herbst im Wahlkampf dafür werben, dass Hessen mit uns auch in den kommenden Jahren ganz gut fahren würde.

Von den hessischen CDU-Politikern ist derzeit lediglich der Ministerpräsident und Landesvorsitzende Volker Bouffier bekannter als Sie, was Sie nach Ansicht der meisten Beobachter zur angefochtenen Nummer 2 in der Partei macht. Nicht umsonst stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits fest, dass der Finanzminister die Rolle des Kronprinzen eindrucksvoll ausfülle. Deckt sich diese Einschätzung mit Ihren persönlichen Ambitionen?

Mit Fremd- und Eigenwahrnehmungen ist das so eine Sache. Ich sehe mich weder als Nummer 2, noch als Nummer 3 oder Nummer 0815 (lacht). Ich bin mit ebenso viel Leib wie Seele Finanzminister.

Fotohiweis: iStock/nadla

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