Kontroverse Positionen in der Diskussion

Die Highlights und zugleich der krönende Abschluss des diesjährigen Bauträgertags waren die Vorträge von Prof. Dr. Harald Simons vom Empirica Institut Berlin und Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Unter den Schlagworten „Die Party ist vorbei!“ und „Eigentum statt Miete!“ trugen die Referenten ihre teilweise recht kontroversen Thesen vor. Sehr lebhaft und erhellend war die abschließende Diskussion der beiden Spezialisten mit dem Publikum – hierbei wurden am Ende auch gemeinsame Standpunkte deutlich.

Den Beginn machte Prof. Dr. Harald Simons mit seinem Vortrag „Die Party ist vorbei!“. Laut Simons hat sich der Anstieg der Neuvertragsmieten in Deutschland wie in den Top-7-Städten im letzten Jahr etwas abgeschwächt, bleibt aber positiv. Auch die Kaufpreise für Eigentumswohnungen stiegen im bundesdeutschen Mittelwert weiter. In den Top-7-Städten hat sich der Preisanstieg hingegen verlangsamt. „Seit nunmehr fünf Jahren in Folge steigen damit die Kaufpreise relativ stärker als die Mieten, was allgemein die Sorge um eine Immobilienblase wachsen lässt“, erklärte Simons. Allerdings sei bundesweit die Kaufpreisübertreibung relativ zu den (Neuvertrags-)Mieten mit rund 16 Prozent noch so gering, dass sie sich unter anderem mit den niedrigen Zinsen oder einem Nachholeffekt erklären lasse. Ganz anders sieht es in den Top-7-Städten in Deutschland aus. Die Preisübertreibung liegt zwischen gut 46 Prozent in Köln und Hamburg, 56 Prozent in Stuttgart, 59 Prozent in Frankfurt, 61 Prozent in Berlin, sowie 81 Prozent in München.

Diese Preisübertreibungen weisen darauf hin, dass die Investoren von einem weiter steigenden Mietniveau ausgehen müssen, da sonst trotz der niedrigen Zinsen keine positive Rendite zu erwarten wäre. „Dazu aber müsste die Wohnungsnachfrage in den Top-7-Städten weiterhin dem Wohnungsangebot davonlaufen“, erklärte Simos. Davon sei allerdings nicht mehr in allen Städten auszugehen. Zwar haben alle Top-7-Städte seit Jahren einen starken Zuwachs der Zahl der Einwohner durch Zuwanderung erfahren. Aber in Berlin und München sowie eventuell auch in Hamburg hat sich die Struktur der Zuwanderung deutlich verändert. Die Zuwanderung aus Deutschland durch das Schwarmverhalten der jungen Menschen auf der Suche nach einem lebendigen Umfeld hat sich in diesen drei Städten deutlich abgeschwächt. Gewann zum Beispiel Berlin im Jahr 2010 noch über 20.000 Einwohner aus anderen Regionen Deutschlands hinzu, so waren es im letzten Jahr nur noch gut 7.000, was nicht mehr ausreichte, die zunehmende Suburbanisierung auszugleichen. Kurz: Berlin verliert derzeit seine Schwarmstadtposition in Deutschland. Die Stadt München verliert in der Zwischenzeit im Saldo sogar an die anderen Regionen Deutschlands und zusätzlich ebenfalls an sein Umland. In Hamburg ist das Bild nicht ganz eindeutig. Die Entwicklung markiert nicht das Ende des Schwarmverhaltens, vielmehr zieht der Schwarm weiter in relativ günstigere Städte wie Leipzig, Rostock, Erlangen oder Regensburg. Dass die drei größten Städte in den letzten Jahren trotzdem eine nahezu konstant hohe Zuwanderung verzeichneten, ist der „glücklichen“ Abfolge verschiedener Zuwanderungswellen aus dem Ausland zu verdanken. Diese aber haben ihren Höhepunkt überschritten. Sofern keine weitere Zuwanderungswelle aus dem Ausland kommt, ist mit einem deutlichen Einbruch beim Wachstum der Wohnungsnachfrage in diesen Städten zu rechnen.

„Das Jahr 2017 wird wahrscheinlich ein schwieriges Jahr für die Investoren in der Wohnungswirtschaft, insbesondere in Berlin und wahrscheinlich auch in München“, prognostizierte Simons. „Die derzeit geforderten Kaufpreise stehen insbesondere in Berlin und München fundamental in keiner sinnvollen Relation mehr zu den Rahmenbedingungen. In den Preisen sind offensichtlich bereits weiter signifikant steigende Mieterträge eingepreist. Es ist aber gerade in Berlin und München und möglicherweise auch in Hamburg nicht mit weiter steigenden Neuvertragsmieten zu rechnen. Es sieht alles danach aus, dass der Schwarm weiterzieht – in günstigere Städte. Für Frankfurt am Main gilt dies allerdings nicht.“

Eigentum statt Miete

Prof. Dr. Voigtländer vertrat die Position, dass sich das Kaufen – besonders für Selbstnutzer – noch immer mehr lohne, als das Mieten. „Die Kosten von Selbstnutzern sind Anfang 2017 aufgrund höherer Zinsen gestiegen. Dennoch ist das Kaufen gegenüber dem Mieten immer noch deutlich attraktiver, im Bundesdurchschnitt beträgt der Vorteil 33 Prozent“, führte er aus. Und auch in den Großstädten ist das Kaufen günstiger, in den sieben größten deutschen Städten liegt der Vorteil zwischen 23 Prozent in Stuttgart und 40 Prozent in Hamburg. Während man in Berlin für den Quadratmeter derzeit 8,12 Euro Miete zahlen muss, schlägt das selbstgenutzte Wohneigentum mit gerade einmal 5,20 Euro für die gleiche Wohnfläche zu Buche.

Die Niedrigzinsphase ermögliche es in vielen Kreisen sogar, eine durchschnittliche Wohnung vollständig innerhalb von 35 Jahren abzubezahlen, ohne bei den laufenden Aufwendungen (Zins, Tilgung und Instandsetzung) stärker als ein durchschnittlicher Mieter belastet zu werden, so Voigtländer. „Steigt der Zins für eine Anschlussfinanzierung in zehn Jahren auf 3,5 Prozent, gilt dies für 97 Prozent der Haushalte; bei einem Zins von 4,5 Prozent, sind es immer noch 93 Prozent. Dies bedeutet, dass derjenige, der Eigenkapital und Erwerbsnebenkosten aufbringen kann, die Vermögensbildung faktisch ohne Mehrkosten dazubekommt“, führte er aus.

Jedoch werden die Einstiegshürden für Ersterwerber immer höher. Nur 40 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über ein Vermögen von mehr als 40.000 Euro. Rund 30 Prozent des Kaufpreises müssen Haushalte aber für Erwerbsnebenkosten und Eigenkapital angespart haben, womit eine Vielzahl von Haushalten überfordert sind. Entsprechend zeigt sich, dass die Zahl der Ersterwerber rückläufig ist und die Einkommen tendenziell steigen.

„Wer heute Wohneigentum erwerben will, muss häufig 50.000 Euro und mehr gespart haben – deutlich zu viel, insbesondere für Geringverdiener und junge Haushalte. Dies führt zu einem Paradoxon: Trotz größerer Erschwinglichkeit können immer weniger Haushalte Wohneigentum erwerben“, erklärte Voigtländer. Die Politik hat dies grundsätzlich erkannt und möchte die Haushalte über Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer (FDP, CDU) und ein Baukindergeld (SPD, CDU) unterstützen. Allerdings bedarf es keiner üppigen Förderung, sondern vor allem einer besseren Verteilung der Kosten, wie Voigtländer deutlich machte. Durch eine Verteilung der Grunderwerbsteuerkosten auf zehn Jahre oder aber eine Ausfallgarantie für Schwellenhaushalte könnte der Kapitalbedarf zum Zeitpunkt des Kaufs deutlich gesenkt werden, ohne dass der Staat große Ausgaben tätigen muss. Die damit verbundenen höheren laufenden Kosten in Form höherer Zins- und Tilgungszahlungen und der Steuerzahlungen können über die geringen Zinsen kompensiert werden. Es geht daher in der nächsten Legislaturperiode vor allem darum, Hürden abzubauen, um mehr Haushalten die Chance zur Wohneigentumsbildung zu eröffnen, so Voigtländers Resümee.

Fotonachweis: BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland