Regierung erleichtert Vergabe von Darlehen
Seit 2005 erlebt die deutsche Bauindustrie einen Aufwärtstrend – und die jüngste Entscheidung der Bundesregierung zur Immobilienkreditvergabe wird diesen positiven Trend nach Ansicht vieler Branchenexperten weiter beflügeln. Denn die Vergabekriterien werden stärker an die zukünftige Wertentwicklung des Objekts gebunden; bislang waren die monatlichen Einnahmen der Kreditnehmer hauptausschlaggebend. Der leichtere Zugang zu Baukrediten könnte daher die Investitionen in neue Bauvorhaben sowie in Wohnungssanierungen in Deutschland unterstützen.
Die seit März 2016 geltenden strengeren Vorgaben auf Basis einer EU-Richtlinie hatten es vor allem älteren Menschen und jungen Familien erschwert, Immobilienkredite zu bekommen. Inzwischen hat die Bundesregierung beschlossen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und reagiert damit auf Kritik aus der Finanz- und Immobilienwirtschaft. Mit der seinerzeit verabschiedeten Wohnimmobilienkreditrichtlinie sollten Häuslebauer davor bewahrt werden, sich finanziell zu übernehmen. Doch Wirtschaftsverbände, Länder und Vertreter der Koalition warfen der Bundesregierung vor, bei der Umsetzung überzogen zu haben: Die strengeren Regeln für die Bonitätsprüfung potenzieller Darlehensnehmer führe dazu, dass viele junge Familien überhaupt kein Darlehen mehr bekommen würden, warnten Branchenvertreter lautstark. Auch ältere Kunden, die die eigenen vier Wände altersgerecht umbauen wollten, könnten Schwierigkeiten bekommen.
Nun versucht die Politik, das selbstverursachte Problem zu lösen, und bessert nach: Das Bundeskabinett beschloss Präzisierungen zu den Kriterien zur Prüfung der Kreditwürdigkeit von Bauherren. „Die bestehenden Regelungen werden präzisiert und die Rechtssicherheit erhöht, um die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten zu erleichtern“, teilte das Finanzministerium in Berlin mit.
Beispielsweise wird klargestellt, dass eine Wertsteigerung durch Baumaßnahmen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung berücksichtigt werden darf – das betrifft Kredite für Renovierungen. Außerdem soll ausdrücklich geregelt werden, dass die Regeln für Verbraucher-Darlehensverträge nicht auf die sogenannten „Immobilienverzehrkredite“ anwendbar sind. Solche Umkehrhypotheken nach angelsächsischem Vorbild helfen Rentnern, die außer ihrem Häuschen kein Vermögen haben, aber nicht ausziehen wollen; seit Umsetzung der Richtlinie, die eine Rückzahlung bis zum Tod erzwingt, war dieses Geschäft tot. Dies werde dazu beitragen, die Auslegungs-Unsicherheiten mancher Institute bei der Kreditvergabe beispielsweise an ältere Menschen zu beheben, so das Ministerium.
Zunächst heißt es aber abwarten: Die laut Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz zu regelnden Faktoren, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann, und die anzuwendenden Verfahren müssten erst durch eine gemeinsame Rechtsverordnung von Finanz- und Justizministerium festgelegt werden. Das Grundproblem, dass es auf die Immobilie als Sicherheit nicht mehr ankommt, weil die Zwangsversteigerung auf jeden Fall verhindert werden soll, dürfte sich jedoch ohne eine quasi vollständige Rücknahme der Neuregelung kaum beheben lassen.
Der nun beschlossene Gesetzentwurf sieht ferner vor, für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bestimmte Instrumente zu schaffen, um bei Bedarf Kreditgebern Kriterien für die Vergabe von Neukrediten vorgeben zu können – beispielsweise eine Obergrenze für das Verhältnis zwischen Darlehenshöhe und Immobilienwert, erklärte das Finanzministerium. Mit diesen präventiven Vorgaben sollten risikoreiche Finanzierungen vermieden werden. Der Entwurf betreffe aber nur Kredite für Bau und Erwerb von Immobilien, nicht für Umbau und Renovierung. Die Deutsche Kreditwirtschaft begrüßte grundsätzlich den Willen der Regierung zu Nachbesserungen. Der Entwurf beseitige aber noch nicht alle identifizierten Rechtsunsicherheiten. Nötig seien unter anderem ergänzende Regelungen zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Anschlussfinanzierungen.
„Kreditgeber und Kreditnehmer brauchen Rechtssicherheit. Das hatte die Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Kreditvergabe für Wohnimmobilien vernachlässigt. Deshalb ist es gut und richtig, dass das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium zeitnah auf die Kritik reagiert haben und nachbessern wollen. Der Erwerb von Wohneigentum darf nicht weiter ausgebremst werden“, betont BFW-Präsident Andreas Ibel im Hinblick auf den neuen Gesetzentwurf beider Ministerien.
Schärfere Haftungsregeln, aber ungenau definierte Leitlinien und Voraussetzungen hatten seit der Verschärfung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie dazu geführt, dass Banken vielfach höhere Anforderungen bei der Kreditvergabe stellten. So hatten in einer aktuellen BFW-Umfrage rund 80 Prozent der befragten Immobilienunternehmen von Auswirkungen der Verschärfung beim Abverkauf berichtet. 40 Prozent der Unternehmen berichteten von kurzfristigen Absagen der Verbraucher aufgrund eines negativen Kreditbescheides kurz vor Vertragsabschluss. Laut 30 Prozent der Befragten ist dabei insbesondere der Kaufanteil von jungen und älteren Bevölkerungsschichten aufgrund eines nicht bewilligten Baudarlehens zurückgegangen. 70 Prozent der befragten Unternehmen berichteten, dass vor allem das mittlere Kaufpreissegment von dem Rückgang betroffen sei. Die Fertigstellung der Verordnung soll im Laufe des ersten Quartals 2017 erfolgen.
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