Wettbewerbsfeindlich und rechtlich bedenklich

Der Fokus der Wohnraumförderung des Landes Baden-Württemberg liegt laut Wirtschaftsministerium auf sozialen Mietwohnungen. Erklärtes Ziel ist, in den Verdichtungsräumen preiswerten und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen. Eine im Frühjahr 2015 erlassene Verwaltungsvorschrift zum Landeswohnraumförderungsprogramm 2015/2016 ermöglicht inzwischen die Anwendung der anfänglichen mittelbaren Belegung. Während dieses Instrument in erster Linie von großen Bestandshaltern begrüßt wird, spricht BFW-Landesgeschäftsführer Gerald Lipka von einem „Etikettenschwindel, der im schlechtesten Fall rechtliche Folgen nach sich zieht“.

Kommt die anfängliche mittelbare Belegung zur Anwendung, läuft dies in der Praxis – vereinfacht ausgedrückt – folgendermaßen ab: Fördert das Land die Schaffung von neuem Wohnraum, erhalten die neu gebauten Wohnungen sogenannte Belegungs- und Mietpreisbindungen. Diese Bindungen dürfen gemäß Verwaltungsvorschrift mit bereits vorhandenen, älteren Wohnungen aus dem Bestand des geförderten Unternehmens schon zu Beginn getauscht werden, wodurch nicht die neue, sondern die Ersatzwohnung den Bindungen unterliegt.

Gerade die Tatsache, dass die im Rahmen des Landeswohnraumförderungsprogramms abgerufenen Subventionen aufgrund dieser Regelung zwar für Neubauvorhaben eingesetzt, die damit verbundenen Belegungen jedoch nicht im Neubau abgebildet werden, ist aus Lipkas Sicht problematisch. „Den gesellschaftspolitischen Auswirkungen, die das Instrument der mittelbaren Belegung mit sich bringt, wird aus Sicht unseres Verbands viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, sagt der BFW-Landesgeschäftsführer. Dass mithilfe der Fördergelder tatsächlich neuer sozialer Wohnraum geschaffen wird, sei ein gefährlicher Trugschluss. „In der Praxis wird das Angebot an Sozialwohnungen nicht dauerhaft erhöht, solange Belegungsrechte einfach auf ältere Bestandsgebäude übertragen werden können, die zum Teil bereits abgeschrieben sind und eine vergleichsweise kurze Restnutzungszeit aufweisen“, betont Lipka. Dies habe zur Folge, dass die im Rahmen des Förderprogramms neu erstellten Gebäude von Bestandshaltern als Immobilieneigentum zu marktüblichen Preisen zum Kauf angeboten werden. Die Fördermittel fließen demnach nicht wie ursprünglich angedacht vollumfänglich in den sozialen Wohnungsbau.

Darin sieht Lipka eine große Gefahr: „In der praktizierten Form verstößt die mittelbare Belegung gegen die europäische Beihilfe-Richtlinie, die ausdrücklich eine objektbezogene Förderung vorschreibt“, begründet der Fachanwalt für Eigentums- und Immobilienrecht seine Einschätzung. „Auf den ersten Blick scheint die rechtliche Lage eindeutig: Eine Objektbezogenheit ist im konkreten Fall nicht gegeben.“

Vor diesem Hintergrund hält es Lipka durchaus für möglich, dass einzelne Immobilienunternehmen rechtliche Schritte einleiten könnten. Die Rechtmäßigkeit derartiger Klagen müsste im Rahmen eines Rügeverfahrens geklärt werden. „Sollte die Klage am Ende Erfolg haben, hätte dies zur Folge, dass alle gewährten Subventionen zurückgezahlt werden müssen, wodurch die betroffenen bestandshaltenden Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Dies wiederum würde dem Land Baden-Württemberg als Initiator angelastet werden“, so Lipka weiter, der auch für die Landeshauptstadt Stuttgart ein Risiko sieht. Denn die Akteure des Bündnisses für Wohnen Stuttgart hatte das Instrument der mittelbaren Belegung ebenfalls ins kürzlich verabschiedete Eckpunktepapier aufgenommen.

Demnach soll bei städtischen Grundstücken in größeren Entwicklungsgebieten der anteilig geförderte Wohnungsbau auf 80 Prozent erhöht werden. 60 Prozent davon sind für den sozialen Mietwohnungsbau vorgesehen, wobei die Hälfte in mittelbarer Belegung erfolgen kann. Diese Strategie sieht der BFW kritisch, weshalb er sich als einziger Verband gegen das Bündnispapier ausgesprochen hat.

Lipkas Fazit:

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die anfängliche mittelbare Belegung eine doppelte Lebenslüge ist: zum einen wegen des Verstoßes gegen EU-Recht und zum anderen, weil in der Praxis keine neuen Sozialwohnungen entstehen. Dass darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Marktteilnehmer eingeschränkt wird, die keine Bestandswohnungen zur Übertragung der Belegungsrechte besitzen, ist ein weiterer Grund, weshalb sich der BFW bereits im Vorfeld gegen die Einführung dieses Instruments ausgesprochen hatte.

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