Energieeffiziente Sanierung ist finanzierbar
Strenge gesetzliche Vorgaben und ehrgeizige Klimaziele zwingen Bauträger und Projektentwickler zunehmend zum Umdenken. Eine Möglichkeit, den Vorgaben der Energieeinsparverordnung gerecht zu werden, ohne selbst in innovative, aber teure Heizungstechnologie investieren zu müssen, stellt das Wärme-Contracting dar. Beim 10. Contracting-Kongress der Klimaschutz und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) in Stuttgart haben Experten Neuheiten und Praxisbeispiele vorgestellt. Auch der BFW-Landesverband war durch Geschäftsführer Gerald Lipka vertreten.
Rund 150 Vertreter von öffentlichen Einrichtungen, Industrie- und Gewerbebetrieben, Pflege- und Sozialeinrichtungen sowie Wohneigentümergemeinschaften, Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienanbietern hatten sich in der Landeshauptstadt getroffen, um sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Contracting auszutauschen. Ein wesentlicher Baustein der Energiewende ist die Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor. Die systematische Erarbeitung von umsetzungsorientierten Klimaschutz- und Energiekonzepten hat sowohl auf europäischer Ebene als auch bundesweit und im Land Konjunktur.
Zur Erreichung der energiepolitischen Ziele im Gebäudesektor braucht das Land Partner: die Städte, Gemeinden, Landkreise, Stadtwerke und Verbände, Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk sowie die Bürger. Mit dem bestehenden Fachwissen auf der einen und der einschlägigen Erfahrung auf der anderen Seite müssen neue Wege gefunden werden, um verfügbare Finanzmittel zu mobilisieren.
Energie-Contracting ist ein Instrument zur Umsetzung und Finanzierung energetischer Modernisierung. Mit Hilfe der bereits 2012 gestarteten Contracting-Offensive hat dieses Instrument mehr Aufmerksamkeit erhalten: Von Juli 2012 bis Juli 2013 haben laut Angaben der KEA mehr als 100 Teilnehmer mitgewirkt und Ziele formuliert –Vertreter aus kommunalen Landesverbänden, Industrie, Gewerbe, Handwerk, aus der Energie-, Finanz-, Versicherungs- und Wohnungswirtschaft, aus der Ingenieur- und Architektenkammer, Verbraucherschutz, Energieagenturen sowie Vertreter der Ministerien und weitere Akteure in drei Arbeitsgruppen und acht Unterarbeitsgruppen.
Ein wesentlicher Vorschlag der Experten war die Gründung eines Kompetenzzentrums Contracting als Maßnahme zur Weiterentwicklung und Verbreitung von Energie-Contracting. Diese Anregung hat das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg nun aufgegriffen: Die in Baden-Württemberg seit vielen Jahren als Projektentwickler aktive KEA wurde mit dieser Aufgabe betraut. Im Rahmen des Begleitkreises werden die bereits in die Contracting-Offensive eingebundenen und mit dem Markt vertrauten Akteure und Multiplikatoren in den Aufbau des Kompetenzzentrums und in die Weiterentwicklung des Themenfelds Contracting einbezogen.
Das Kompetenzzentrum Contracting hat dazu ein Leitbild entwickelt, das auf das Zieljahr 2030 ausgerichtet ist. Bis dahin soll Contracting nach Willen der Akteure als gleichwertiges Modell für die Umsetzung von Energieeffizienzinvestitionen am Markt etabliert sein. Dann prüfen Kommunen, andere Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime sowie Unternehmen grundsätzlich Contracting als gleichwertige Alternative. In diesem Zusammenhang sollen bis 2030 außerdem ausreichend qualifizierte Berater am Markt tätig sein und gleichzeitig kompetente Anbieter für unterschiedliche Kundenanforderungen zur Verfügung stehen. Klar definierte Qualitätsstandards dienen dazu, Kunden und Anbieter abzusichern. In der Finanzwirtschaft soll das Instrument Contracting im Jahr 2030 so weit eingeführt sein, dass Anbieter anhand einfacher Prüfkriterien Zugang zu Finanzmitteln haben.
Auch für die Wohnungswirtschaft gewinnen Contracting-Modelle hinsichtlich des Ziels der Landesregierung, die Sanierungsquote bis zum Jahr 2020 auf zwei Prozent zu erhöhen, an Bedeutung. Dabei gilt es, durch ein umfangreiches Informationsangebot und konkrete Hilfestellungen das Interesse für Contracting bei Wohnungswirtschaft und privaten Bauherren zu wecken. Dazu zählen im Einzelnen die stärkere Einbindung von Energieeffizienzmaßnahmen bei Energieliefer-Contracting-Verträgen, die Anpassung von Energiespar-Contracting-Modellen für Ein- und kleine Mehrfamilienhäuser, die Standardisierung von Vertrags- und Verfahrensmustern für Neubauvorhaben sowie Lösungsansätze zum Thema Mietrecht und Contracting im Gebäudebestand.
Etwa 40 Prozent des Endenergieverbrauchs im Land werden für die Beheizung von Gebäuden verbraucht. Das liegt unter anderem daran, dass rund drei Viertel des Wohngebäudebestands in Baden-Württemberg vor der Wärmeschutzverordnung WSVO 1977 errichtet und nur etwa ein Viertel davon zwischenzeitlich energetisch umfassend saniert wurde. Um eine Verdoppelung der Sanierungsrate bis 2020 auf zwei Prozent und damit die energiepolitischen Ziele des Landes zu erreichen, braucht es aus Sicht der KEA neue Lösungsansätze wie beispielsweise das Energiespar-Contracting. Neben bereits bekannten Geschäftsmodellen zur Wärme- und oder Stromlieferung (Energieliefer-Contracting) bietet das Energiespar-Contracting die Möglichkeit, zusätzliche technische Maßnahmen auf der Energiebedarfsseite und Kosteneinsparpotenziale zu erschließen.
Welche Rolle Contracting im Wohnungsneubau spielen kann, erläuterte darüber hinaus BFW-Landesgeschäftsführer Gerald Lipka. Er zeigte sich überzeugt, dass eine Vielzahl der Hürden, die aufgrund des WEG-Rechts in Bestandsgebäuden entstehen, über Contracting im Neubau umgangen werden können.
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