Mangel an Grundstücken überschattet positiven Trend beim Wohnungsbau
Der Wohnungsbau in Hessen entwickelt sich in die richtige Richtung. Allerdings sei es noch ein weiter Weg, bis genügend Wohnungen gebaut werden, um die tatsächliche Nachfrage zu decken – so fassten die Experten der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungs- und Immobilienverbände Hessen (AWI Hessen) die aktuelle Lage auf den hessischen Wohnungsmärkten bei der Präsentation ihres jährlichen Konjunkturberichts in der Villa Bonn in Frankfurt am Main zusammen.
Vor allem der Mangel an Grundstücken und die hohen Baukosten erschwerten den Bau neuer Wohnungen in Hessen derzeit immens. „In Hessen wurden im Jahr 2016 rund 20.000 neue Wohnungen gebaut. Das ist ein positives Signal, steht dahinter doch eine Steigerung von 12,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, erklärte Gerald Lipka, Sprecher der AWI Hessen und Landesgeschäftsführer des BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland. „Ohne die Aktivierung weiterer Flächen in den Ballungsgebieten und im Umland ist der jährliche Wohnungsbedarf in Hessen von 37.000 neuen Wohnungen, den die zuständige Ministerin Priska Hinz 2016 prognostizierte, allerdings nicht zu bewältigen“, so Lipka weiter.
Neben dem Mangel geeigneter Flächen beschäftigten auch die steigenden Baukosten die Branche. So lag 2016 die Verteuerung der Baupreise in Hessen mit 1,7 Prozent beim Wohnungsneubau deutlich über der Inflationsrate von 0,4 Prozent. Die Preise für neu erstellte Immobilien einschließlich Grundstückspreisen und sonstigen Kosten sind in Deutschland sogar um 4,5 Prozent gestiegen.
Dr. Axel Tausendpfund, Verbandsdirektor des VdW Südwest, wies ebenfalls auf den erkennbar positiven Trend hin, warnte aber zugleich vor einer Überbewertung. Die Steigerung der Baugenehmigungen für Wohnungen in Hessen von 21.500 in 2015 auf 27.000 im Jahr 2016 sei angesichts der hohen Nachfrage wichtig. Zugleich habe es 2016 aber auch Sondereffekte gegeben wie beispielsweise einen spürbaren Anstieg von Wohnungen in Wohnheimen, zu denen auch Flüchtlingsunterkünfte zählen. In dieser Kategorie war 2016 in Hessen ein Anstieg von gut 50 Prozent (von 1.549 auf 2.334 Wohnungen) zu verzeichnen, der das Gesamtbild der Baugenehmigungen etwas verzerrt und der 2017 nicht anhalten wird. Laut Tausendpfund sind eine aktive Außenentwicklung, beispielsweise die Schaffung des neuen Stadtteils im Nordwesten Frankfurts, und eine stärkere Nachverdichtung Pflicht, wenn dem Wohnungsmangel effektiv begegnet werden wolle.
„Die Wohnungsnachfrage in Hessen ist ungebrochen“, erklärte Werner Merkel vom Verband der Immobilienverwalter Hessen (VdIVH) bei der Vorstellung des Konjunkturberichts. „2016 sind die Wohnungsmieten ohne Nebenkosten im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent gestiegen.“ Die große Nachfrage zeige sich auch in der sehr geringen Leerstandsquote in Teilen Hessens, die in Frankfurt beispielsweise bei lediglich 0,5 Prozent liege. Hierbei handelt es sich um den marktaktiven Leerstand, der nur jene Wohnungen erfasst, die aufgrund von Vermietungsschwierigkeiten leer stehen.
Wie Stephan Schlocker vom Verband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen Region Mitte (IVD) berichtete, sind auch die Preise im Eigentumsbereich 2016 weiter gestiegen. Bei den freistehenden Eigenheimen mit mittlerem Wohnwert, also einer Fläche von rund 125 Quadratmetern Wohnfläche, verzeichnete Offenbach ein besonders großes Plus von mehr als 32 Prozent. Der Preis sei damit von 245.000 Euro auf 325.000 Euro gestiegen. Auch in Wiesbaden (von 450.000 auf 490.000 Euro) und in Kassel (von 200.000 auf 230.000 Euro) habe es nennenswerte Steigerungen gegeben. Die Preise in den ländlicheren Regionen stagnierten dagegen, das Stadt-Land-Gefälle werde immer steiler, so Schlocker.
„Bei aller Euphorie um steigende Genehmigungszahlen und Baufertigstellungen dürfen wir den Blick auf das Wesentliche nicht verlieren“, erklärte AWI-Sprecher Lipka. „Die Knappheit an Grundstücken, vor allem in den Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet, bildet nach wie vor das Nadelöhr bei der Schaffung neuer Wohnungen. Nur wenn mehr Bauland ausgewiesen wird und die Abläufe in der Verwaltung beschleunigt werden, können auf Dauer mehr Wohnungen entstehen. Hier bleibt weiter viel zu tun.“ Deshalb werden die vier in der AWI Hessen zusammengeschlossenen Verbände auch künftig ihre Interessen bündeln, um Öffentlichkeit und Politik für wohnungswirtschaftliche Themen zu sensibilisieren.
Fotonachweis: BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland