Wohneigentum im Spannungsfeld von Niedrigzinsen, hohen Preisen und politischen Hindernissen
Noch immer steigen Mieten und Kaufpreise nahezu ungebremst. Es wird zwar gebaut, aber viel zu wenig. Im Rahmen eines Gastvortrags beim Neujahrsempfang des BFW Baden-Württemberg hat Michael Voigtländer, Ökonom und Wohnungsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, die Ursachen der Misere beleuchtet und Lösungsansätze vorgestellt.
Die Städte wachsen derzeit stark, doch ist dies auch ein langfristiger Trend? Aktuelle Statistiken zeigen, dass gerade die deutsche Bevölkerung wieder aus den Großstädten wegzieht. Ein genauer Blick zeigt, dass viele in die Umlandgemeinden ausweichen, wo das Wohnungsangebot besser und günstiger, der Weg ins Zentrum aber noch relativ kurz ist. Doch trotz aller technischen Fortschritte, etwa im Automobilverkehr oder bei Internetzugängen, werden die Großstädte auch in Zukunft wirtschaftliche Magneten sein und weiter wachsen. Für das Land und strukturschwache Regionen entstehen hierdurch zunehmend Probleme.
Im Jahr 2007 lebten zum ersten Mal mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und tritt die Prognose der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 tatsächlich ein, werden 2050 etwa 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Auswirkungen dieser Entwicklung sind bereits deutlich zu spüren – auch in Deutschland. In den Ballungsräumen herrscht Wohnraummangel – von den Innenstadtlagen ganz zu schweigen. Und die Preise für Immobilien erreichen von Jahr zu Jahr neue Höchstmarken. Dabei schwirren immer wieder Warnungen vor einer Immobilienblase durch das Land. Doch einem weiteren Preisanstieg konnte dies genauso wenig etwas anhaben wie die Mietpreisbremse.
„Hohe Wohnkosten sind in vielen Städten mittlerweile eine bittere Wahrheit“, sagt Voigtländer. In Berlin zum Beispiel sind die Mieten seit 2010 um durchschnittlich 25 Prozent gestiegen, und auch in anderen Metropolen wie Hamburg, Frankfurt oder Köln tun sich Studenten, Rentner und mittlerweile auch Otto Normalverdiener immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Müssen die Deutschen bald vielleicht so hohe Mieten zahlen wie die Londoner, also durchschnittlich 2.000 Euro im Monat? „Nein“, sagt Voigtländer, „Voraussetzung ist allerdings, dass es die Politik nicht bei ihren Feigenblatt-Maßnahmen wie der Mietpreisbremse belässt, sondern endlich effektive Schritte unternimmt“. Dazu gehören laut Voigtländer eine Bodenwertsteuer, um Bauland zu mobilisieren, neue Stadtviertel mit Tausenden neuen Wohnungen, eine schnellere Verwaltung, weniger kommunale Auflagen und nicht zuletzt bessere Rahmenbedingungen für die Vermögensbildung sowie mehr Wohngeld.
Einführung einer Bodenwertsteuer
Ein Grundproblem des Wohnungsmangels und der geringen Verfügbarkeit von Bauland besteht darin, dass sich das Warten lohnt. Wer heute über Bauland in den Großstädten verfügt, kann mit Preissteigerungen von 10 bis über 15 Prozent pro Jahr rechnen. Für diese Wertsteigerungen muss man nichts tun, und sie sind sehr sicher, schließlich ist die Nachfrage hoch, und es ist kaum absehbar, dass die Bautätigkeit schnell steigt. Eine solche sichere Rendite ist kaum mit alternativen Anlagen zu erzielen, weshalb die Baulandzurückhaltung sehr attraktiv ist. Eine Bodenwertsteuer setzt ausschließlich am Wert des Grund und Bodens an. Diese Bemessungsgrundlage kann leicht auf Basis der Bodenrichtwerte, die flächendeckend von den Gutachterausschüssen auf Grundlage von Transaktionen ermittelt werden, bestimmt werden.
Eine Steuer auf den Bodenwert unabhängig von den Aufbauten bedeutet, dass leere Grundstücke ebenso besteuert werden wie ein Grundstück mit einem Hochhaus daneben. Damit werden große Anreize gesetzt, ein Grundstück schnell der Bebauung zuzuführen.
Städte müssen nach oben wachsen
Ein weiterer Ansatzpunkt, der aus Voigtländers Sicht Abhilfe schaffen könnte, ist in die Höhe zu bauen – moderne Wohnhochhäuser mit Luxusappartements in den oberen Etagen und günstigeren Wohnungen unten, um auch eine soziale Mischung zu gewährleisten. Viel gewonnen wäre bereits, wenn bei anderen Mehrfamilienhäusern zusätzliche Etagen geplant werden. In den seltensten Fällen wird heute bis an die Hochhausgrenze von 22 Metern gebaut. Vielfach haben Mehrfamilienhäuser nur drei bis fünf Etagen. Gelingt es, die Etagenzahl um durchschnittlich zwei zu erhöhen, könnten im Neubau bei Mehrfamilienhäusern rund 40 Prozent mehr Wohnungen entstehen.
Das Problem sind aber oft die Genehmigungen. Sowohl die Genehmigung von Wohnhochhäusern als auch von Aufstockungen ist schwierig und langwierig. Dies liegt am fehlenden Personal in den Ämtern, aber auch an den hohen Standards, die etwa an den Brandschutz gelegt werden.
Großstädte brauchen neue Stadtviertel
Nachverdichtungen und höhere Bebauungen alleine werden nicht ausreichen, um den Wohnungsmangel zu überwinden. Benötigt werden daher eher neue Stadtviertel oder aber Entlastungsstädte. Für die Umlandgemeinden sind die eigene Ausweisung von Bauland und die Anregung von Bauvorhaben im großen Stil hingegen unattraktiv. Würde man rund 10.000 Wohnungen zwischen Münchner Flughafen und Stadt bauen, entstünde eine eigene Kleinstadt, die ihrerseits auch Infrastruktur braucht. Zwar erzielt eine Gemeinde über die Ansiedlung neuer Bürger auch Einnahmen, aber in vielen Fällen sind die Kosten höher als die Erträge. Hinzu kommt der mögliche Widerstand der Bürger, die eine solch gravierende Veränderung ihrer Gemeinde fürchten. Grund genug also für viele Bürgermeister, solche Ideen weit wegzuschieben.
Stadtplanung ist in Deutschland in den Händen der Kommunen, zentrale Planungen sind eher die Ausnahme. Die überregionale Planung sollte also verstärkt, zumindest aber sollten die Verhandlungen zwischen Umlandgemeinden von Vertretern der Bundesländer moderiert werden. Darüber hinaus bedarf es einer vernünftigen Aufteilung der Kosten.
Bauämter müssen schneller werden
Nach einer Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln beträgt die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Bauantrag in Nordrhein-Westfalen 184 Tage. Ein wesentlicher Grund für die immer längeren Genehmigungsverfahren ist die personelle Ausstattung der Bauämter. Die Mitarbeiter sind zwar meist freundlich und hilfsbereit, die grundsätzliche Haltung gegenüber Neubauprojekten ist jedoch eher ablehnend. Mit großer Akribie werden Fehler gesucht und Probleme identifiziert, die so manchen Bauherren abschrecken und zermürben. Um diese Haltung zu ändern, bedarf es größerer Anreize. Explizite Serviceziele können hier weiterhelfen, ebenso wie Mitarbeiter, die Praxiserfahrung haben.
Viele Akteure im Baumarkt betrachten Baugenehmigungen zudem als Geldanlage. Sie versuchen, die Baugenehmigung mit dem dazugehörigen Bauland mit großem Gewinn an Projektentwickler zu verkaufen. Die Spekulation mit Baugenehmigungen könnte jedoch recht einfach reduziert werden: Die Dauer der Baugenehmigung müsste stärker befristet werden, zum Beispiel auf zwei oder sogar ein Jahr. Wird innerhalb des Jahres nicht mit dem Bau begonnen, verfällt die Baugenehmigung und muss neu beantragt werden.
Überprüfung von Standards im Bau
Der Wohnungsbau gehört zu den am strengsten regulierten Produkten überhaupt. Über die Landesbauordnungen wird sehr genau festgelegt, wie gebaut werden muss und welche Anforderungen erfüllt werden müssen, über die Energiesparverordnung (EnEV) werden sehr genau die energetischen Anforderungen definiert. Aus der Umweltökonomie ist bekannt, dass Verbote und Aussagen zwar effektive Instrumente darstellen, sie aber eben innovative Lösungen behindern und mit deutlich höheren Kosten verbunden sind.
Statt den Wohnungsbau bis in die Details zu regulieren, sollten eher Ziele vorgegeben werden. Gerade bei den Energiestandards bietet sich dies an. Dies würde einen Innovationswettbewerb in Gang setzen, der auch zu einer Kostenreduktion beitragen würde. Insgesamt sollten die Standards im Bau gründlich durchleuchtet werden. In den Niederlanden wurden das Baugesetzbuch grundlegend neu geschrieben und alle Verordnungen und Gesetze auf den Prüfstand gestellt. Viele Regelungen konnten gänzlich gestrichen, andere vereinfacht werden. Im Ergebnis sanken die Baukosten erheblich. Solch eine grundlegende Reform ist auch für Deutschland wünschenswert, zumal die Lage hier noch komplizierter ist als bei unseren Nachbarn. Schließlich hat in Deutschland jedes Bundesland noch seine eigene Landesbauordnung.
Kaufen ist günstiger als Mieten
Unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen stellt sich für viele Haushalte die Frage, ob es sinnvoll ist, Wohneigentum zu bilden oder doch lieber zu mieten. Voigtländer hat hierzu angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase eine klare Meinung: „Kaufen ist deutlich günstiger als Mieten“ – eine Einschätzung, die auch eine aktuelle Analyse des Immobilienportals immowelt.de bestätigt. Wichtigstes Ergebnis: Wer lediglich die Kaufnebenkosten aus eigener Tasche stemmen kann, zahlt in der Mehrzahl der untersuchten Städte monatlich nur etwas mehr als ein Mieter – besitzt nach 30 Jahren dafür aber eine abbezahlte Wohnung.
Für die Analyse wurden die monatliche Belastung der Käufer für Zins- und Tilgungskosten, Kaufnebenkosten sowie monatliche Rücklagen den Mietzahlungen gegenübergestellt. Diese Beträge für eine Familienwohnung mit 80 bis 120 Quadratmetern beziehen sich auf einen Tilgungszeitraum von 30 Jahren. Außerdem wurde der zu erwartende Wertzuwachs im Vergleichszeitraum ermittelt.
Wer eine 100-Prozent-Finanzierung benötigt, profitiert in vielen Fällen vom Kauf einer Familienwohnung. Neben den Städten Gelsenkirchen, Wuppertal und Magdeburg, in denen Käufer durchschnittlich im Monat sogar Geld sparen, liegt die monatliche Mehrbelastung in 41 Städten bei unter 200 Euro. Hierzu gehören Heidelberg, Düsseldorf, Köln, Karlsruhe und Dresden. Sollten sie sich eines Tages doch zum Verkauf entschließen, hat die Wohnung in den meisten Städten mit großer Wahrscheinlichkeit auch deutlich an Wert gewonnen.
Je mehr eigenes Vermögen der Käufer mit einbringt, desto lohnenswerter wird der Immobilienerwerb. In 36 der 79 untersuchten Städte zahlen Käufer mit 20 Prozent Eigenkapital monatlich sogar weniger als Mieter. Das gilt selbst für florierende Städte wie Köln, Stuttgart oder Augsburg. Bei einer 80-Prozent-Finanzierung ergab die Analyse lediglich fünf Städte, in denen die durchschnittlichen monatlichen Mehrkosten für Käufer die 200-Euro-Schwelle knacken: Das sind München, Rostock, Oldenburg, Erlangen und Freiburg. In diesen Städten muss aber nicht generell vom Kauf abgeraten werden, Käufer sollten jedoch über möglichst viel Eigenkapital verfügen. In München betragen 20 Prozent des Kaufpreises von rund 640.000 Euro beispielsweise knapp 130.000 Euro. Wer über dieses Vermögen verfügt und bereit ist, monatlich 220 Euro mehr zu zahlen als ein Mieter, besitzt nach 30 Jahren dafür aber auch eine Immobilie im Wert von nahezu einer Million Euro – und kann dauerhaft und sicher auf einem der angespanntesten Immobilienmärkte Deutschlands in einer Wohnung mit komfortabler Größe wohnen.
Datenbasis für die Berechnung der Kauf- und Mietpreise in den 79 größten deutschen Städten waren 163.300 Immobilien, die im Jahr 2017 auf immowelt.de inseriert wurden. Dabei wurden ausschließlich die Angebote berücksichtigt, die vermehrt nachgefragt wurden. Die Preise sind jeweils Angebots-, keine Abschlusspreise. Die Preise geben den Median, also den mittleren Wert der Angebotspreise der Immobilien, wieder. Die Mietpreise sind Nettokaltmieten bei Neuvermietung.
Schlagwörter: Baden-Württemberg, Immobilien, Immobilienwirtschaft, Wohneigentum